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Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft

Titel: Die schwarzen Juwelen 08 - Blutsherrschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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Shalador gewesen war. Die Grenzen der Reservate, in denen sich die Shalador niedergelassen hatten, zogen sich immer enger zusammen. Heute musste das Volk darum kämpfen, seinem Land noch genügend Ertrag zum Überleben abzuringen. Die shaladorischen Bräuche wurden verboten. Die Tänze, die Musik, die Geschichten – alles wurde im Geheimen und unter großer Gefahr weitergegeben.
    Sein Großvater väterlicherseits war ein Hüter der Musik. Als starker, ruhiger Mann war Yairen in Eyota, dem Dorf, in dem Ranon aufgewachsen war, ein geachteter Anführer gewesen – und war es immer noch. Ebenso war er ein begnadeter Musiker, der es für seine Pflicht hielt, den Jüngeren zu lehren, wie man die Lieder spielte, die das Herz der Shalador geprägt hatten.
    Die Provinzkönigin, die das Reservat kontrollierte, brach Yairen als Strafe dafür, Verbotenes gelehrt zu haben, die Hände – und brach sie noch zwei weitere Male. Als sie das letzte Mal verheilten, war Yairen kaum noch in der Lage, eine Flöte zu halten, geschweige denn, sie zu spielen. Aber dennoch unterrichtete er seinen Enkelsohn, und er unterrichtete ihn gut, trotz seiner verkrüppelten Hände.
    So war diese Musik die längste Zeit seines Lebens ein Geheimnis gewesen. Selbst wenn er zugab, Flöte zu spielen, tat er es niemals in Hörweite eines Menschen, dem er nicht vertrauen konnte – und selbst dann spielte er die Weisen der Shalador nur selten.
    Verstand die Königin, der er jetzt diente, wie viel Vertrauen es ihm abverlangte, hier zu stehen und die Musik seines Volkes vorzuführen? Wohl nicht. Lady Cassidy hatte seinen
Widerwillen erkannt, doch nicht einmal Shira, die Schwarze Witwe, die er liebte, verstand, wie eng sich in seinem Herzen die Angst und die Hoffnung der letzten Tage miteinander verwoben hatten, während sich die Klänge der Flöte in die Luft erhoben und Teil der Welt wurden. Ja, er hatte Angst, doch die Hoffnung auf etwas Neues und Besseres war der Grund, aus dem er hier stand – an einem Ort, der die Hochburg der verdorbenen Königinnen gewesen war – und Lieder spielte, die sie einst verboten hatten.
    Während er ein Lied nach dem anderen aufführte, ließ Ranon sein Herz zusammen mit den Klängen, die es mit friedvoller Freude erfüllten, in die Höhe steigen.
    »Wie lange musst du den kleinen grünen Dingern ein Ständchen bringen, bevor du frühstücken kannst?«
    Er öffnete die Augen und senkte die Flöte. Der Frieden, den er einen Moment zuvor gefühlt hatte, verschwand, als Theran Grayhaven auf die Terrasse hinaustrat.
    Theran und er mochten sich nicht. Hatten sich nie gemocht. Aber außer höflichem Interesse konnte er nichts aus der Frage heraushören.
    »Eine Viertelstunde.« Ranon warf einen raschen Blick auf das Stundenglas, das neben ihm in der Luft schwebte. Dem Sand nach zu urteilen, der sich am Boden des Glases befand, hatte er doppelt so lange gespielt. »Gray sagt, es helfe den Honigbirnen beim Wachsen.«
    »Glaubt er wirklich, sie welken und gehen ein, wenn du nicht hier draußen stehst und Musik machst?«, fragte Theran, während er die dreizehn Blumentöpfe begutachtete, die im Schutz des Hochbeets standen, das die Terrassenmauer bildete.
    Beim Gedanken an den Tod eines der kleinen Honigbirnbäume begann Ranons Herz heftig zu schlagen, doch er würde niemandem verraten, wie viel ihm diese lebenden Symbole der Vergangenheit bedeuteten.
    Jared hatte sechs Honigbirnbäume mit in dieses Land gebracht. Einen hatte man hier in Grayhaven für Lia gepflanzt, und noch lange nach seinem Tod hatte man ihn als Symbol
des Hohns gegenüber den Königinnen mit den Grauen Juwelen, die hier einst geherrscht hatten, im Garten stehen lassen. Doch dieser tote Baum hatte dreizehn sorgsam erhaltene Honigbirnen verborgen, die Lia versteckt hatte. Cassidy hatte sie gefunden – der erste Schritt auf dem Weg zum Schatz der Grayhavens. Aus diesem Grund waren die kleinen Bäume ein Band strahlender Hoffnung, das die Vergangenheit mit der Zukunft verknüpfte.
    »Es spielt keine Rolle, was Gray denkt«, erwiderte Ranon. »Es ist der Wunsch der Königin, dass ich den Honigbirnen jeden Morgen etwas auf der Flöte vorspiele, also spiele ich.«
    In dem Moment, in dem er es ausgesprochen hatte, wusste er, dass seine Wortwahl ein Fehler gewesen war.
    »Nun ja, auf die ein oder andere Art und Weise spielen wir alle etwas zum Vergnügen der Königin, nicht wahr?«, sagte Theran. Dann blickte er zu Ranon und fügte mit einem Hauch Boshaftigkeit hinzu:

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