Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
8-10.«
    »Es wurde telegraphisch vorbestellt.«
    »Und für Ilse Wagner wurde kein Zimmer bestellt?«
    »Aber nein! Sie haben doch selbst die Signorina gebracht und nur, weil wir Sie so gut kennen –«
    »Sehen Sie, und hier wird's merkwürdig! Dr. Berwaldt hat nämlich Fräulein Wagner nach Venedig kommen lassen. Sie ist seine Sekretärin. Glauben Sie, daß man jemanden von Berlin nach Venedig kommen läßt, ohne ein Zimmer reservieren zu lassen?«
    »Kaum, Signore.«
    »Aber hier ist es der Fall.«
    »Gelehrte sind oft vergeßlich …«
    »Lieber Direktor … man kann einen Schirm vergessen, aber keinen Menschen! Ein Mädchen, das man mit wichtigen Dokumenten erwartet! Hier ist etwas faul!«
    »Es wird sich alles aufklären, Signore.« Der Geschäftsführer streckte die Hand aus. »Kann ich unser Gästebuch wiederhaben?«
    »Bitte.« Cramer reichte ihm das Buch hin. Der Italiener schob es schnell unter den Arm und klemmte es so sichtbar fest, als wolle er es ein zweites Mal mit seinem Leben verteidigen.
    »Brauchen Sie mich noch?«
    »Nein. Und schweigen Sie bitte über unsere Unterredung.«
    Der Geschäftsführer zog ein beleidigtes Gesicht. »Ich werde doch alles vermeiden, den Ruf unseres Hauses zu stören.«
    »Hoffentlich läßt es sich auch weiterhin vermeiden.« Cramer trat an das Fenster und sah hinaus auf einen der stillen, schmutzigen Seitenkanäle.
    Die Tür hinter ihm schloß sich leise. Er war allein. Sinnend lehnte er die Stirn gegen die Scheibe. Der Abend, die wenigen Stunden, seit denen er Ilse Wagner kannte, zogen noch einmal an ihm vorüber. Und je mehr er darüber nachdachte, um so größer wurde eine logische Lücke: Wenn Dr. Berwaldt seine Sekretärin nach Venedig rief, war es einfach undenkbar, daß er ohne weitere Nachricht für ein paar Tage Venedig verließ! Er würde nie ein Mädchen in einer unbekannten Stadt lassen … ohne Schutz, ohne Zimmer, ohne Geld, ohne Anweisungen. Hier stimmte etwas nicht. Ein Ereignis mußte eingetreten sein, das alle Pläne Dr. Berwaldts zunichte gemacht hatte. Ein Ereignis, das es ihm sogar unmöglich machte, Nachricht zu geben!
    Je länger Cramer darüber nachdachte, um so stärker wuchs in ihm ein Gedanke. Es war ein häßlicher Verdacht, aber er paßte plötzlich in das verworrene Bild und gab ihm eine Gestalt.
    Hatte man Ilse Wagner nach Venedig gelockt, um sie in ein noch unbekanntes Verbrechen zu verwickeln? Wie lange kannte sie überhaupt diesen Dr. Berwaldt? Wie war sie zu der Anstellung als Privatsekretärin gekommen? Woher nahm Berwaldt die bestimmt hohen Summen für seine Forschungen, für die Unterhaltung des Labors, für die Gehälter seiner Angestellten? Als Arzt war er nicht mehr tätig … verbarg sich hinter dem Antlitz eines stillen Wissenschaftlers die Finanzmacht einer Interessengruppe? Wer waren diese Hintermänner?
    Fragen über Fragen, die Cramer plötzlich bestürmten.
    Mit einem Ruck drehte er sich vom Fenster weg, ergriff das Telefon und ließ sich mit Zimmer 81 verbinden.
    Eine Zeitlang mußte er warten, bis sich jemand im Zimmer 81 meldete. Es war Françoise, die kleine Zofe, die gerade einige Abnäher an dem Abendkleid angebracht hatte.
    »Bittä?!« fragte sie.
    »Ist Fräulein Wagner im Zimmer?«
    »Ja –«
    »Ich möchte sie gerne sprechen …«
    »Augenblick, Monsieur –«
    Dann sprach Ilse Wagner. Aber weiter als »Mit dem Abendkleid haben Sie –« kam sie nicht. Cramer schnitt ihr das Wort ab.
    »Nur eine kurze Frage: Wie lange sind Sie bei Dr. Berwaldt?«
    »Seit fast drei Jahren.«
    »Nicht länger?!« Cramer wölbte die Unterlippe vor. »Wie kamen Sie zu ihm?«
    »Ist etwas mit Dr. Berwaldt?« fragte Ilse ängstlich.
    »Nein, nein … bitte antworten Sie.«
    »Mein früherer Chef empfahl mich ihm. Er verlegte seinen Chemiebetrieb nach Südamerika, weil ihm in Deutschland die hohen Steuern ein produktives Weiterarbeiten nicht gestatteten. So kam ich zu Dr. Berwaldt.«
    Cramer schüttelte den Kopf. Diese Antwort paßte nicht in das Bild, das sich bei ihm zu vollenden begann. Er wurde wieder unsicherer. »War Dr. Berwaldt viel auf Reisen?«
    »Kaum! In den drei Jahren, die ich ihn kenne, fast nie!«
    »Woher hatte er das Geld, sich ein Privatlabor zu leisten?«
    »Er ist sehr vermögend. Von seiner Mutter Seite her. Und außerdem stellt das Labor die erforderlichen Fachgutachten aus, Medikamentenprüfungen, Analysen für die Industrie. Dr. Berwaldt verdient sehr gut daran.«
    Wieder schüttelte Cramer fast verzweifelt

Weitere Kostenlose Bücher