Die Schwestern des Lichts - 3
Reitet mir einfach hinterher, dann werdet Ihr keine Schwierigkeiten bekommen.«
Sie schwang sich in den Sattel. »Am Balken in der Haupthalle. Das ist der höchste.«
»Wovon sprecht Ihr?«
Sie warf ihm einen ernsten Blick zu. »Der Balken in der Haupthalle. Dort werden sie mich wahrscheinlich aufhängen.«
Richard schwang sich in den Sattel. »Die Wahl liegt bei Euch, Schwester. Ihr braucht mich nicht dorthin zu bringen.«
Sie seufzte. »Doch, ich muß.« Sie warf ihm einen äußerst sanften und besorgten Blick zu. Er fand ihn recht überzeugend, wenn auch ein wenig angestrengt. »Richard, ich will nichts weiter als dir helfen. Ich will deine Freundin sein. Ich denke, du brauchst jetzt eine Freundin. Sehr sogar.«
Richard sträubte sich innerlich. »Ein freundliches Angebot, Schwester Verna. Aber ich lehne ab. Ihr habt es ein wenig zu eilig, das Messer, das Ihr in Eurem Ärmel versteckt, Euren Freunden in den Rücken zu jagen. Hat es Euch eigentlich überhaupt nichts ausgemacht, Schwester Elizabeth, einer Freundin und Gefährtin, das Leben zu nehmen? Es sah nicht so aus. Ich weigere mich, Euch meine Freundschaft anzubieten, Schwester – oder meinen Rücken.
Wenn Ihr es ernst meint und Ihr meine Freundin sein wollt, dann möchte ich Euch dringend raten, Euch ehrlich darum zu bemühen, und zwar, bevor ich Euch auffordere, es zu beweisen. Wenn die Zeit kommt, werdet Ihr nur eine einzige Chance bekommen. In dieser Sache gibt es nur ein Entweder – Oder. Nur Freund und Feind. Freunde halten einen Freund weder mit einem Halsring fest noch als Gefangenen. Ich habe die Absicht, diesen Halsring loszuwerden. Wenn ich beschließe, daß es an der Zeit ist, wird mir jeder Freund helfen. Wer sich mir in den Weg stellt, ist dann eben nicht mein Freund – sondern ein toter Feind.«
Schwester Verna schüttelte den Kopf und drängte Jessup hinter ihn, als er aufbrach. »Der Balken in der Haupthalle. Ganz sicher.«
20. Kapitel
Ihr Puls pochte ihr in den Ohren. Sie hatte Mühe, ihren panischen Atem zu beherrschen, als sie sich hinter den dicken Stamm einer alten Fichte duckte und sich an die rauhe Borke preßte. Wenn die Schwestern dahinterkämen, daß sie ihnen folgte…
Sie sog die dunkle, feuchte Luft in kurzen Zügen ein. Ihre Lippen sandten stumme Gebete an den Schöpfer, in denen sie um Schutz flehte. Mit Augen so groß wie Goldstücke starrte sie in die Dunkelheit, schluckte und versuchte, ihre Kehle zu befeuchten.
Die dunklen Umrisse glitten lautlos näher. Wenn sie um den Rand des Baumes linste, konnte sie sie gerade eben so erkennen. Sie unterdrückte ihren Wunsch, laut loszuschreien, davonzurennen, und bereitete sich darauf vor zu kämpfen. Sie griff nach dem süßen Licht, umschloß ihr Han.
Der Schatten kam zögernd, suchend näher. Noch ein Schritt, nur noch einer, und sie würde hervorspringen. Sie würde es richtig machen müssen – damit es keine Gelegenheit gab, Alarm zu schlagen. Es mußte schnell gehen, und es würde verschiedene Arten von Netzen erfordern, die alle gleichzeitig geworfen werden mußten. Aber wenn es ihr gelang, schnell und präzise vorzugehen, blieb keine Gelegenheit, zu schreien oder Alarm zu schlagen, und sie würde ganz sicher wissen, wer es war. Sie hielt den Atem an.
Endlich machte die finstere Gestalt den nächsten Schritt. Sie wirbelte hinter dem Baum hervor und warf die Netze. Ein Strang aus Luft, so dick wie ein Ankertau, wand sich peitschenschnell um die Gestalt. Als der Mund sich öffnete, rammte sie einen festen Knoten aus Luft hinein und knebelte ihn damit, bevor er eine Gelegenheit hatte aufzuschreien.
Erleichtert sank sie ein wenig in sich zusammen, als kein Geräusch zu hören war, aber ihr Herz raste noch immer, während sie keuchend um Atem rang. Mit Mühe gelang es ihr, wieder Ruhe in ihre Gedanken zu bringen, obwohl sie ihr Han noch immer fest umschlossen hielt, aus Angst, ihre Vorsicht könnte nachlassen. Schließlich konnten noch andere in der Nähe sein. Sie holte tief Luft und trat näher an die gelähmte Gestalt heran. Als sie nahe genug war, um den Atem auf ihrem Gesicht zu spüren, hielt sie die geöffnete Hand in die Höhe und setzte einen Glühfaden frei, um eine kleine Flamme zu entzünden, gerade hell genug, um das Gesicht zu erkennen.
»Jedidiah!« flüsterte sie. Sie drückte ihm die Hand in den Nacken und betastete das glatte, kühle Metall des Rada’Han, dann legte sie ihren Kopf an seine Stirn und schloß dabei die Augen. Tränen liefen ihr
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