Die Schwestern des Lichts - 3
Situation geraten und Ihr reißt aus Übereifer zu fest an einer Breitkandare, könnt Ihr dem Pferd das Maul aufreißen. Dabei können der Schmerz, der Schrecken und der Zorn so gewaltig werden, daß es auf keine Eurer Anweisungen mehr reagiert. Es wird das nicht verstehen. Es wird nur noch wissen, daß Ihr ihm weh getan habt und mit jedem Ziehen am Zügel noch mehr weh tut. Dann seid Ihr die Bedrohung. Es wird Euch im Nu abwerfen.
Wenn das Pferd dann einfach nur verängstigt ist, wird es durchgehen. Wenn es schlimmer kommt, ist es wütend. Wütende Pferde sind gefährlich. Statt die Gefahr mit einer Breitkandare zu vermeiden, beschwört Ihr sie selbst herauf.« Er blickte ihr in die verblüfften Augen. »Wenn wir durch eine Ortschaft kommen und eine Gelenktrense finden, könnt Ihr die benutzen. Aber solange ich bei Euch bin, werde ich nicht zulassen, daß Ihr irgendeinem Pferd eine Breitkandare anlegt.«
Sie atmete tief durch, während sie erneut ihre Arme verschränkte. »Richard, ohne Kandare können wir sie nicht unter Kontrolle halten. So einfach ist das.«
Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Doch, das können wir. Ich werde es Euch beibringen. Das Schlimmste, was einem ohne Kandare passieren kann, ist, daß das Pferd mit einem durchgeht und es eine Weile dauert, bis man es zum Stehen bringt, früher oder später jedoch wird es gelingen. Auf Eure Art könntet Ihr oder das Pferd Euch verletzen – oder sogar töten.«
Er drehte sich um und kraulte Bonnies Hals. »Als erstes müßt Ihr Euch mit ihnen anfreunden. Sie müssen darauf vertrauen, daß Ihr ihnen nicht weh tut oder sie in Gefahr bringt, obwohl Ihr das Sagen habt. Seid Ihr erst mal ihr bester Freund, werden sie nicht mehr zulassen, daß Euch etwas zustößt. Sie werden tun, was Ihr verlangt. Es ist so einfach. Man braucht nichts weiter als ein wenig Respekt und Freundlichkeit – und eine starke Hand. Wenn sie Euer bester Freund werden sollen, dann brauchen sie einen Namen, damit man ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkt und sie wissen, daß man mit ihnen spricht.«
Er kraulte weiter und merkte, wie das Pferd es genoß. »Stimmt das etwa nicht, Bonnie? Du bist ein gutes Mädchen, was? Klar bist du das.« Er warf einen Blick über die Schulter auf die Schwester. »Jessup mag es, wenn Ihr ihn unter dem Kinn krault. Versucht es mal, zeigt ihm, daß Ihr Euch mit ihm anfreunden wollt.« Er grinste sie ohne Freude an. »Ob es Euch gefällt oder nicht, Schwester, die Kandaren sind kaputt. Ihr müßt eine andere Art des Reitens lernen.«
Schwester Verna warf ihm einen kalten Blick zu. Schließlich faltete sie die Arme auseinander und ging zu dem kastanienbraunen Wallach. Sie blieb einen Augenblick lang vor ihm stehen, dann streckte sie die Hand aus und streichelte ihn seitlich am Kopf, bis sie schließlich ihre Hand unter sein Kinn legte, um ihn zu kraulen. »So ein guter Junge«, meinte sie lustlos.
»Ihr denkt vielleicht, Pferde sind dumm, Schwester, weil sie die meisten Eurer Worte nicht verstehen. Aber sie verstehen den Klang Eurer Stimme. Wenn Ihr wollt, daß er Euch glaubt, dann tut wenigstens so, als ob Ihr es ernst meint.«
Sie schob ihre Hand nach oben und strich ihm über den Hals. »Du dummes Tier«, meinte sie in honigsüßem Ton. »Zufrieden?« fauchte sie über ihre Schulter.
»Solange Ihr nett zu ihm seid. Ihr müßt sein Vertrauen gewinnen. Pferde sind nicht so dumm, wie Ihr denkt. Seht doch, wie er steht. Er vertraut Euch nicht. Von jetzt an teile ich Euch Jessup zu. Ihr werdet Euch um all seine Belange kümmern. Er muß sich ganz auf Euch verlassen, Euch vertrauen. Ich kümmere mich um Bonnie und Geraldine. Ihr werdet die einzige sein, die Jessup striegelt, und Ihr werdet es nach dem Reiten tun und vor dem Reiten am nächsten Morgen.«
»Ich! Das werde ich ganz bestimmt nicht tun! Ich habe hier das Sagen. Du bist durchaus in der Lage, alle drei zu striegeln, und das wirst du auch tun!«
»Hier geht es nicht darum, wer das Sagen hat. Striegeln hilft unter anderem dabei, zwischen Euch und dem Pferd Vertrauen herzustellen. Ich habe es Euch schon erklärt: die Kandaren sind kaputt, Ihr müßt eine neue Art lernen, mit den Pferden umzugehen. Ich muß Euch zeigen, wie es geht, schon zu Eurer eigenen Sicherheit.« Er reichte ihr einen Satz Zügel. »Zieht das Halfter fest und befestigt das hier an diesem Ring.«
Während sie damit beschäftigt war, schnitt er die übriggebliebene Melonenrinde in kleine Stücke. »Redet mit ihm.
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