Die Schwestern des Lichts - 3
blickte ihn überrascht an. »Weil wir dich hier eingesperrt haben?«
Sein zaghaftes Lächeln kehrte zurück. »Es gibt viele Arten von Gefängnissen, Schwester. Was mich betrifft, ist sein Segen mit einem Makel behaftet. Das einzige, was schlimmer wäre, als vom Schöpfer berührt zu werden, ist die Berührung durch den Hüter. Und selbst da bin ich nicht sicher.«
Sie zog die Hand zurück. »Ich werde dennoch für dich beten, Nathan.«
»Wenn Euch mein Wohl so sehr am Herzen liegt, dann laßt mich frei.«
»Tut mir leid, das kann ich nicht.«
»Soll heißen, Ihr wollt es nicht.«
»Das kannst du sehen, wie du möchtest, aber du mußt hierbleiben.«
Endlich wandte er sich von ihr ab. Sie machte sich zur Tür auf.
»Schwester? Würdet Ihr mir eine Frau schicken, die mich besucht? Um ein, zwei Nächte mit mir zu verbringen?«
Seine Stimme klang so gequält, daß Schwester Margaret fast in Tränen ausgebrochen wäre. »Ich dachte, dafür wärst du längst zu alt.«
Er drehte sich langsam zu ihr um. »Ihr habt einen Liebhaber, Schwester Margaret.«
Sie wirbelte herum. Wie konnte er das wissen? Er wußte es gar nicht, er hatte es nur geraten. Sie war jung, und manche fanden sie sehr anziehend. Es war ganz selbstverständlich, daß sie sich für Männer interessierte. Er hatte nur geraten. Und trotzdem, keine der Schwestern wußte, wozu er fähig war.
Er war der einzige Zauberer, auf dessen Aussagen, seine Macht betreffend, sie nicht vertrauen konnten.
»Das ist doch nur Gerede, Nathan.«
Er lächelte. »Verratet mir, Schwester Margaret, habt Ihr je an den Tag gedacht, wenn Ihr zu alt sein werdet für die Liebe – und sei es nur für das flüchtige Erlebnis einer Nacht? Wie alt genau, Schwester, muß man sein, um das Bedürfnis nach Liebe zu verlieren?«
Sie blieb eine Weile verschämt schweigend stehen. »Ich werde persönlich in die Stadt gehen, Nathan, und dir eine Frau mitbringen, die dir eine Weile Gesellschaft leisten wird. Selbst wenn ich den Preis aus eigener Tasche zahlen muß. Ich kann nicht versprechen, daß sie in deinen Augen schön sein wird, da ich nicht weiß, was deine Augen begehren, aber ich versichere dir, sie wird nicht hohl sein zwischen ihren Ohren, denn vermutlich schätzt du das mehr, als du zugeben willst.«
Sie sah, wie sich eine einzelne Träne aus seinen Augenwinkeln löste. »Danke, Schwester Margaret.«
»Aber, Nathan, du mußt mir versprechen, ihr keine Prophezeiung zu verraten.«
Er neigte leicht den Kopf. »Selbstverständlich, Schwester. Ich gebe Euch mein Wort als Zauberer darauf.«
»Es ist mir Ernst damit, Nathan. Ich will nicht mitschuldig sein am Tod von Menschen. In diesen Schlachten sind nicht nur Männer umgekommen, sondern auch Frauen. Ich würde es nicht ertragen, daran schuld zu sein.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Nicht einmal dann, Schwester Margaret, wenn eine dieser Frauen, vorausgesetzt, sie überlebt, einen Jungen zur Welt brächte, der zu einem grausamen Tyrannen heranwüchse und Zehntausende und Aberzehntausende von Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, quälte und abschlachtete? Nicht einmal dann, Schwester, wenn Ihr die Chance hättet, diesen Ast einer entsetzlichen Prophezeiung abzuwürgen?«
Sie blieb verblüfft stehen, wie erstarrt. Schließlich zwang sie sich zu einem Blinzeln. »Nathan«, flüsterte sie, »soll das etwa heißen…«
»Gute Nacht, Schwester Margaret.« Er machte kehrt, ging entschlossenen Schritts zurück in die Abgeschiedenheit seines kleinen Gartens und zog sich im Gehen die Kapuze wieder über den Kopf.
6. Kapitel
Der Wind riß an ihr, zerrte an ihren Kleidern und ließ den Saum flattern. Nach dem Durcheinander gestern war Kahlan froh, daß sie wenigstens daran gedacht hatte, sich das Haar zurückzubinden. Sie klammerte sich an Richard, als ginge es ums nackte Überleben, preßte ihre Wange an seinen Rücken und hielt die Augen fest geschlossen.
Da war es wieder – dieses dumpfe Gefühl der Schwere, bei dem sich ihr der Magen umdrehte. Sie glaubte, sich übergeben zu müssen. Sie hatte Angst, die Augen aufzumachen, sie wußte, was geschah, wenn sie sich, wie jetzt, schwer fühlte. Richard rief nach hinten, sie solle die Augen aufmachen.
Sie öffnete sie einen Spaltbreit und linste durch zwei schmale Schlitze. Wie sie vermutet hatte, war die Welt in einem Wahnsinnswinkel zur Seite gekippt. Ihr drehte sich der Kopf, ihr wurde übel. Wieso mußte der Drache sich jedesmal so weit in die Kurve legen? Sie spürte,
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