Die Schwestern des Lichts - 3
wie sie gegen die roten Schuppen gedrückt wurde. Wieso sie nicht herunterfiel, war ihr ein Rätsel.
Richard hatte ihr erklärt, er sei dahintergekommen, daß es fast dasselbe war, wenn man einen Eimer Wasser rund um den eigenen Kopf schwenkte, ohne daß das Wasser hinauslief. Sie hatte nie einen Eimer Wasser um ihren Kopf geschwenkt und war daher nicht völlig sicher, ob er in diesem Punkt die Wahrheit sagte. Sie warf einen sehnsüchtigen Blick nach unten auf die Erde und sah, worauf Richard zeigte – das Dorf der Schlammenschen.
Siddin kreischte vor Vergnügen auf seinem Platz in Richards Schoß, als Scarlet mit ihren riesigen, ledrigen Schwingen die Luft einfing und einen engen Kreis zog. Als der Rote Drache auf die Erde zustürzte, schien sich Kahlans Magen bis zum Hals hochzudrücken.
Wie die anderen daran Gefallen finden konnten, war ihr ein Rätsel. Die hatten tatsächlich Spaß daran! Die Arme in die Luft gereckt, lachten sie vor Vergnügen und führten sich auf wie kleine Jungs. Nun, einer von beiden war ein kleiner Junge und hatte wohl das Recht dazu.
Plötzlich mußte sie grinsen und fing selber an zu lachen. Nicht, weil sie einen Drachen flog, sondern weil sie sah, wie glücklich Richard war. Sie würde jeden Tag auf einem Drachen fliegen, nur um ihn so glücklich lachen zu sehen. Sie richtete sich auf und küßte ihn in den Nacken. Er griff nach hinten und strich ihr zärtlich über die Beine. Sie klammerte sich ein wenig fester an ihn und hätte fast vergessen, wie schlecht ihr war.
Richard rief Scarlet vorn zu, sie solle auf dem freien Feld mitten im Dorf landen. Die Sonne ging gerade unter, so daß die hellbraun getünchten Lehmgebäude deutlich im schräg einfallenden Licht hervortraten. Kahlan konnte den süßlichen Rauch der Feuerstellen riechen. Lange Schatten jagten den Menschen hinterher, die sich rennend in Sicherheit brachten. Frauen ließen ihre Kochstellen im Stich und Männer ihre Waffenschmieden. Alles rief und brüllte durcheinander.
Hoffentlich fürchteten sie sich nicht allzusehr. Als Scarlet das letzte Mal hierhergekommen war, hatte sie Darken Rahl getragen, der Richard hier gesucht, nicht gefunden und daraufhin mehrere Menschen getötet hatte. Diese Menschen wußten nicht, daß Rahl erst Scarlets Ei gestohlen und sie dann gezwungen hatte, ihn zu fliegen. Natürlich hielte hier jeder einen roten Drachen auch ohne Darken Rahl auf seinem Rücken für eine tödliche Bedrohung. Sie wäre selbst bei diesem Anblick um ihr Leben gerannt. Die roten Drachen waren die furchteinflößendsten ihrer Art, und beim Anblick eines Roten würde man ihn entweder zu töten versuchen oder um sein Leben rennen.
Das heißt, niemand außer Richard. Wer außer Richard käme auf die Idee, sich mit einem anzufreunden? Er hatte sein Leben riskiert, um Scarlets Ei Rahls Zugriff zu entreißen, damit sie ihm half, und hatte dabei eine Freundin fürs Leben gewonnen – auch wenn Scarlet immer noch die Absicht bekundete, ihn eines Tages aufzufressen. Kahlan nahm an, daß es sich um einen Scherz zwischen den beiden handelte, da Richard jedesmal lachte, wenn Scarlet dies erwähnte. Ganz sicher war sie nicht. Kahlan blickte nach unten ins Dorf und hoffte, die Jäger würden nicht auf die Idee kommen, Giftpfeile abzufeuern, bevor sie sahen, wer auf dem roten Drachen ritt.
Plötzlich entdeckte Siddin sein Zuhause. Er zeigte aufgeregt darauf und plapperte Richard in der Sprache der Schlammenschen die Ohren voll. Richard verstand kein einziges Wort, lächelte aber, nickte und strich Siddin durchs Haar. Die beiden klammerten sich an Scarlets Rückendornen, als sie den steilen Sinkflug abbremste. Staub stieg ringsum in die Höhe, aufgewirbelt von Scarlets riesigen, ledrigen Flügeln, als sie auf dem Boden niederging.
Richard schnappte sich Siddin und hob sich den kleinen Jungen auf die breiten Schultern, dann richtete er sich auf. Die steife, kalte Brise verwehte den Staub, und man sah einen ungleichmäßigen Ring aus Jägern mit gezücktem Bogen, deren vergiftete Pfeile auf die drei gerichtet waren. Kahlan hielt den Atem an.
Siddin fuchtelte strahlend mit beiden Händen über seinem Kopf herum, wie Richard es ihm geraten hatte. Scarlet hielt den Kopf gesenkt, damit die Schlammenschen deutlich erkennen konnten, wer auf ihr ritt. Die erstaunten Jäger senkten langsam die Bögen. Kahlan atmete auf, als sie sah, wie die Spannung aus den Bogensehnen wich.
Eine Gestalt in Wildlederhose und ebensolcher Jacke trat durch
Weitere Kostenlose Bücher