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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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Wir haben kein bisschen Weiß mehr zum Mischen.«
    Â»Der Markt gibt das her, was er ist«, grinste Yuri. »Schwarz.«
    Die übliche Unverfrorenheit. Unter den Gehilfen für das Bühnenbild war Yuri der Einzige, der sich offenbar nicht von ihr beeindrucken ließ. Allerdings hatte er großes Talent. Eine ganz eigenwillige, ebenso ungestüme wie eindringliche und leidenschaftliche Pinselführung. Für ihn gab es nur Himmel oder Hölle. Keinerlei Mittelweg. Aber das konnte ihr egal sein. Im Moment hatte sie andere Sorgen.
    Olga richtete den Blick auf die Wand und begann, den Bühnenprospekt genau zu begutachten: ein stilisierter Kirschbaum in verschiedenen Grautönen. Das letzte Werk ihres Gehilfen, das er wie immer nach ihrem Entwurf gefertigt hatte. Yuri hatte die Leinwand zum Trocknen ausgebreitet, sie am oberen Rand mit einfachen Haken an der Deckenhalterung der Jalousie befestigt und unten, mit den gleichen Haken, Gewichte angebracht: rostige Metallbügel, wie sie zum Verbolzen von Gleisen an Bahnschwellen benutzt wurden. Um das Bild auch in der Horizontalen glatt zu ziehen, hatte er feste Schnur und Nägel verwendet.
    Â»Hast du heute Nacht etwas vor?«, fragte ihn Olga.
    Der Junge, der sich ihr gegenüber an seinen Arbeitsplatz gesetzt hatte, sah sie herausfordernd an: »Haben Sie noch meinen Wodka?«
    Â»Natürlich.«
    Â»Dann könnten wir uns vielleicht einig werden.«
    Â»Vielleicht«, pflichtete sie ihm bei, ohne ein weiteres Wort hinzuzufügen. Schweigend trat sie auf die Leinwand zu und betrachtete sie eingehend.
    Wie nicht anders zu erwarten war, wurde Yuri schon bald ungeduldig: »Was soll ich tun?«
    Sie drehte sich um und lächelte zufrieden: »Ich habe beschlossen, noch ein paar Veränderungen in den Prospekt einzufügen.«
    Â»Das kommt nicht in Frage!«, fuhr Yuri auf. »Er muss noch trocknen, und übermorgen Abend ist die Generalprobe. Es ist keine Zeit mehr, irgendetwas zu verändern.«
    Â»Es geht nur darum, ein paar Details hinzuzufügen. Die schwarze Farbe, die du gekauft hast, ist dafür bestens geeignet.«
    Â»Schon wieder diese blöden Zeichen? «

2
    London, B.A.S.T.E.T.-Theater
Dienstag, 22. Januar 2008, 21.30 Uhr
    Aus dem Dunkeln erkannte Victoria alles.
    Die mit unzähligen Scheinwerfern bestückte Beleuchtungsbrücke war das einzige Element dieses kleinen Theaters, das aus Metall bestand. Das Bühnenbild wurde lediglich durch die Lichter gestaltet, die auf strategisch wichtige Punkte gerichtet waren. Ein verborgener Projektor warf das Bild einer orangefarbenen Sonne auf eine schwarze Stellwand. Es war eine traumartige Morgendämmerung, eine Sonne, die allmählich dem Zenit entgegenwanderte. Langsam und unerbittlich. Ohne ein einziges Geräusch, als sei mit der Ruhe eines zauberhaften Morgens die ganze Welt verstummt, versunken in den Anblick einer uralten, jahrhundertelang in Vergessenheit geratenen Sonnengottheit. Als der Scheinwerfer die fünfzehn in Leinen gehüllten, geisterhaften Gestalten streifte, hoben sie mit ihrem Gesang an, richteten sich vom Boden auf wie zu Heldentaten erwachende Titanen. Bis zu diesem Augenblick hatten sie wie Felsen gewirkt, reglose, stille Zeugen eines wiederauflebenden Mythos.
    Â»Doch zu der Frau hier, der Hochzeit wegen,
    welche Gewaltigen kamen zum Kampfplatz?
    Welche bestanden durch alle die Schläge,
    all den Staub bis zum Ende den Wettkampf?«
    Der Lichtstrahl zerriss die Szene und traf direkt auf Victoria.
    Sie stand aufrecht, allein, barfüßig. Sie trug einen weißen, knöchellangen Chiton. Ein prächtiger Himation aus hellem Tuch bedeckte die bloße Schulter. Ein rotes Seidenband hielt das schwarze Haar zusammen, das weich und fließend wie ein Wasserfall zwischen den Schulterblättern hinabfiel. Sie hielt ein kleines Kästchen in den Händen, und als sie zu sprechen begann, merkte sie, dass ihre Stimme leicht zitterte:
    Â»Von bösen Anschlägen möcht’ ich nichts wissen, noch
    auch künftig lernen, hasse die, die solches tun.
    Doch ob ich dieses Mädchens Macht abbrechen kann
    mit Liebesmitteln, angewandt auf Herakles?
    Die Sache ist ins Werk gesetzt, wenn ihr nicht glaubt,
    dass mein Bemühn vergeblich. Ist’s das, lass ich es.«
    Es lag Schmerz, aber auch Festigkeit in ihrer Stimme. Etwas schwer Greifbares, das sich zwischen dem herben Tonfall und einem reifen Bewusstsein

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