Die Seele des Feuers - 10
die noch immer knienden Männer.
»Jiaan, ihr übrigen – erhebt euch von den Knien! Steht auf!«
Die Männer erhoben sich augenblicklich; Du Chaillu wartete geduldig, ohne sich zu rühren. Chandalen und seine Männer traten zurück. Die Schlammenschen hatten ihm den Namen Richard mit dem Zorn gegeben und waren daher nicht überrascht, schienen es aber trotzdem für das beste zu halten, sich ein Stück zurückzuziehen.
Chandalen und seine Männer konnten unmöglich wissen, daß sein Zorn jenem Zauber galt, der einen von ihnen getötet hatte – höchstwahrscheinlich sogar zwei, wie ihm jetzt klar wurde – und sicher noch weitere töten würde.
Kahlan musterte ihn besorgt. »Beruhige dich, Richard, und reiß dich zusammen. Wer sind diese Leute?«
Er schien weder seinen Atem beruhigen zu können noch sein Herz. Weder vermochte er seine geballten Fäuste zu entkrampfen, noch seine rasenden Gedanken zu zähmen. Alles schien ins Wanken geraten zu sein und sich seiner Kontrolle zu entziehen. Längst begraben geglaubte Ängste schienen sich befreit zu haben, neu entflammt zu sein und von ihm Besitz ergreifen zu wollen. Er hätte es früher merken müssen. Er verwünschte sich, weil er es übersehen hatte.
Es mußte doch einen Weg geben, dem ein Ende zu machen. Er mußte nachdenken. Statt sich vor ungeschehenen Dingen zu ängstigen, mußte er sich überlegen, wie man sie verhindern konnte.
Ihm wurde klar, daß das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. Jetzt mußte er einen Ausweg suchen.
Kahlan blickte ihm erhobenen Hauptes in die Augen. »Antworte mir, Richard. Wer sind diese Leute?«
Aus Wut und Verzweiflung preßte er sich eine Hand auf die Stirn. »Die Baka Ban Mana. Das bedeutet ›die ohne Meister‹.«
»Wir haben jetzt einen Caharin, wir sind nicht mehr die Baka Ban Mana«, meinte Du Chaillu, die nicht weit entfernt stand. »Jetzt sind wir die Baka Tau Mana.«
Ohne Du Chaillus Erklärung richtig zu begreifen, wandte Kahlan ihre Aufmerksamkeit wieder Richard zu. Mittlerweile hatte ihre Stimme einen rasiermesserscharfen Unterton. »Wieso behauptet sie, du seist ihr Gemahl?«
Er hatte sich gedanklich bereits so weit in eine völlig andere Richtung entfernt, daß er sich einen Augenblick konzentrieren mußte, um Kahlans Frage zu begreifen. Sie schien sich der Folgen nicht bewußt zu sein. Angesichts der sich drohend vor ihnen auftürmenden Zukunft kam Richard Kahlans Frage so belanglos vor, als entstammte sie einer längst vergangenen Zeit.
Er versuchte ihre Besorgnis mit einer ungeduldigen Handbewegung abzutun. »Es ist nicht, wie du denkst, Kahlan.«
Sie benetzte ihre Lippen und atmete tief durch. »Schön.« Sie sah ihn fest aus ihren grünen Augen an. »Warum erklärst du es mir dann nicht einfach?«
Das war gar keine richtige Frage. Stattdessen stellte Richard eine. »Begreifst du nicht?« Er deutete, von seiner Ungeduld überwältigt, auf Du Chaillu. »Es ist das alte Gesetz! Nach dem alten Gesetz ist sie meine Gemahlin, zumindest glaubt sie das.«
Richard preßte die Fingerspitzen gegen seine Schläfen. Ihm dröhnte der Kopf.
»Wir stecken in gewaltigen Schwierigkeiten«, murmelte er.
»Ihr jedenfalls«, warf Cara ein.
»Cara«, meinte Kahlan zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch, »es reicht.« Sie wandte sich wieder an ihn. »Wovon redest du überhaupt, Richard? Was wird hier gespielt?«
Berichte aus Kolos Tagebuch schossen ihm durch den Kopf.
Er schien seine Gedanken nicht klar genug ordnen zu können, um all die durcheinanderwirbelnden Tatsachen in Worte zu fassen. Die Welt brach auseinander, und sie stellte ihm die Fragen von gestern. Er sah, wie die Gefahr sich in aller Deutlichkeit bedrohlich vor ihnen auftürmte, und konnte nicht verstehen, wieso nicht auch Kahlan die drohende Gefahr erkannte.
»Siehst du denn nicht?«
Wie von Sinnen ging Richards Verstand die vagen Möglichkeiten durch, während er zu entscheiden versuchte, was er als nächstes tun sollte. Die Zeit lief ihnen davon. Er wußte nicht einmal, wieviel ihnen noch blieb.
»Ich sehe, daß Ihr sie geschwängert habt«, meinte Cara.
Richard bedachte die Mord-Sith mit einem wütenden Funkeln. »Habt Ihr nach allem, was wir durchgemacht haben, eine so schlechte Meinung von mir, Cara?«
Cara wirkte verbittert; sie verschränkte die Arme und wandte sich ab.
»Rechnet doch nach«, forderte Kahlan Cara auf. »Als diese Frau schwanger wurde, dürfte Richard als Gefangener der Mord-Sith weit weg im Palast des Volkes
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