Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
Vom Netzwerk:
demnächst. Genieß deinen Urlaub.“
    Kjell drückte den Anruf weg, legte das Gerät beiseite und streckte sich. Wohlige Erleichterung durchflutete ihn. Fae würde überglücklich sein, ihn noch vier Tage bei sich zu haben. Er konnte sie unten in der Küche rumoren hören. Leises Topfgeklapper, das Tappen von Hausschuhen auf den Holzdielen. Kjell schälte sich aus dem Bett, schlich auf nackten Füßen die Treppe hinunter und bog nach rechts in die Küche ab. Gerade war seine Mutter dabei, Zucker in einen dampfenden Topf zu schütten. Sie trug die unkaputtbare, grünweiß karierte Schürze, die sie seit vierzig Jahren beim Backen und Kochen benutzte. Im Küchenkamin prasselte ein Feuer, die Uhr an der Wand tickte heimelig. So wohl hatte er sich das letzte Mal auf einem Segelschiff gefühlt, als er im Netz am Bug des Schiffes gelegen hatte, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, die Sonne und die Seeschwalben über sich.
    „Du machst Karamell? Jetzt? Mitten in der Nacht?“
    Fae blickte überrascht auf. „Wann denn sonst? Morgen musst du wieder los, und du hast das Zeug immer geliebt.“
    „Mum, es ist fast drei Uhr.“
    Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Aber was? Ihr Blick war seltsam ruhelos, ihre Gesten hektisch. Als hätte sie eine wilde Ungeduld gepackt. Wenigstens sah sie nicht krank aus. Ihre Augen glänzten, ihre Haut sah gesünder aus denn je. Fae pulsierte vor Lebendigkeit.
    Die traurige Sehnsucht, die zu seiner Mutter gehörte wie die Nacht zum Tag, war völlig von etwas ersetzt worden, das aussah wie Vorfreude. Wirklich sonderbar.
    „Ich hoffe, es gelingt mir.“ Sie goss Sahne in den Topf, fügte eine Prise Salz hinzu und begann, energisch zu rühren. „Mal wird es steinhart, mal weich wie Butter. Es ist schwer, genau die richtige Konsistenz …“
    „Mum?“, unterbrach er sie.
    „Ja, mein Junge?“
    „Meine Vorträge in Sydney fallen wegen Überflutung aus. Mir bleiben vier Tage mehr.“
    „Oh.“ Fae vergaß das Karamell und starrte ihn an. Nicht freudig, sondern … wie sollte er es benennen? Enttäuscht? Erschrocken?
    „Ich … das ist … äh … schön.“
    Ihre ernste Miene stürzte ihn in Fassungslosigkeit. Plötzlich fühlte er sich fehl am Platz. Ausgestoßen und unerwünscht. Was zum Geier war hier los? Beim letzten Mal hatte seine Mutter ihn unter Tränen verabschiedet, jetzt schien sie ihn regelrecht loswerden zu wollen. Irgendetwas hing in seiner Kehle quer. Faes seltsames Verhalten schmerzte wie ein Magenschwinger. Nein, schlimmer noch, weil es nichts Körperliches war.
    „Verstehe mich nicht falsch“, beeilte sie sich zu sagen. „Ich freue mich. Wirklich. Das musst du mir glauben. Es ist nur …“
    Sie wandte sich zum Fenster hin, schloss die Augen und flüsterte leise etwas. Die ersten Worte konnte er nicht verstehen, doch dann wurde ihre Stimme ein wenig lauter.
    „… vier Tage. Sag mir, dass du mich gehört hast. Kannst du so lange warten?“
    Bitte was? Wurde seine Mutter senil?
    Kjell öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Wie sie dastand, reglos, mit geschlossenen Augen, die Miene voller Sehnsucht. Nie hatte er sie so lächeln sehen. So viel Hingabe lag darin. So viel Glück. Bis heute hätte er es nie für möglich gehalten, dass seine Mutter zu einem solchen Gesichtsausdruck fähig war.
    Schließlich neigte sie den Kopf und schauderte, als striche eine unsichtbare Hand liebkosend über ihre Wange. „Das ist wundervoll. Es gibt nämlich noch ein paar Dinge, die ich dir zeigen möchte.“
    „Redest du gerade mit mir?“
    „Natürlich.“
    Kjell seufzte. „Was für Dinge meinst du?“
    „Das erste siehst du morgen. Das andere braucht ein wenig Zeit. Noch will er sich nicht zeigen. Aber bald.“
    „Er? Wen meinst du mit er?“
    Fae lächelte auf ihre typische, verschlossene Art und begann, wieder im Topf herumzurühren. Der sahnige Duft des Karamells stieg in Kjells Nase.
    Vielleicht sollte er das Buch holen und hier in der Küche weiterlesen, auf der warmen Ofenbank. Doch er wurde das Gefühl nicht los, dass seine Mutter allein sein wollte.
    „Ich gehe dann mal wieder hoch. Weiterlesen.“
    Fae zitterte vor Aufregung. „Wie findest du es?“
    „Sehr schön. Es ist irgendwie …“
    Ihre Augen strahlten und blitzten. „Ja? Was ist es?“
    „Ich weiß nicht.“ Verlegen zuckte er mit den Schultern. „Ich kann es nicht beschreiben. Du schaffst es jedes Mal, mich zu entführen. Aber diesmal klappt es ein bisschen zu gut.“
    „Das ist schön.“

Weitere Kostenlose Bücher