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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Gelenk. Der Alte drückte fest zu, trieb den Stachel noch tiefer hinein. Fae spürte, wie eine sengende Hitze durch ihre Adern schoss.
    „Es ist nicht deine Schwäche“, sagte der Alte. „Du hast keine Schuld an dem, was geschieht. Das magische Blut gab mir nicht nur ein langes Leben, sondern auch eine gewisse Macht über die Menschen. Es ist meine Stimme. Sie hält euch für eine Weile gefangen, aber nicht lange genug. Deswegen muss ich nachhelfen. Nein, keine Angst.“ Er hob die Hand mit dem Ring. Ein spitzer Stachel ragte aus dem goldenen Band, rot von ihrem Blut. „Es ist nur ein starkes Betäubungsmittel. Dieses kleine Ding erstand ich während einer Italienreise im siebzehnten Jahrhundert. Es ist eines der wenigen Kleinode, die ich behalten habe. Verbunden mit meinem ausgeprägten Wissen über Gifte ist dieser Ring wirklich sehr praktisch. Niemand kommt auf sein kleines Geheimnis, bis ich demjenigen die Hand gebe. Du wirst gerade lang genug schlafen, um deinen Freund zu mir zu bringen. Ich bin kein gewissenloser Mörder. Ich tue nur das Nötige. Und ich mache Fehler. Glaube mir, wenn ich den Preis vorher gewusst hätte, wäre ich lieber mit meiner Frau in diesem Boot gestorben. Ich wollte nur mit ihr zurückkehren, mit ihr oder niemals.
    Aber jetzt sieh, wie schwach ich geworden bin. Seit gestern erbreche ich meine eigenen Eingeweide. Ich sterbe und bleibe trotzdem am Leben. Wärst du heute nicht in den Hafen gegangen, hätte ich euch zur Not erschossen, um an ihn heranzukommen. Zwei Wochen habe ich gehofft, entweder ihn oder dich alleine anzutreffen. Am liebsten wäre mir gewesen, dein Freund hätte dem Ruf des Meeres gehorcht. Du weißt, mein Gefährte wartet dort draußen. Mein treues, altes Ungeheuer. Es brachte mich selbst dann noch an Land, als es dem Tode nahe war. Oh, ich stehe so tief in seiner Schuld. Wenn es gestorben wäre …“ Der Alte gab ein wimmerndes Geräusch von sich, „…ich wüsste nicht, was ich ohne es täte. Ihr wart so vorsichtig. Ich habe gewartet, so lange ich konnte. Es musste ein hundertprozentiger Angriff werden. Unbedingt erfolgreich. Ein Fehler, und ihr wärt über alle Berge gewesen. Du siehst ja, ich bin nicht mehr in der Verfassung, es noch einmal zu versuchen. Es war so schrecklich, die Erlösung so dicht vor der Nase und doch so weit weg zu wissen. Wenn du nicht hierhergekommen wärst, alleine in diesem Regen, hätte ich euch im Schlaf töten müssen. Henry war unaufmerksam, musst du wissen. Er tippte gut sichtbar den Code für die Alarmanlage ein.“
    Fae weinte. Sie spürte, wie sie nach vorne sackte.
    Hinein in seine Arme. Hass flutete ihr schwindendes Bewusstsein. Nein! Nein! Nein! Sie durfte nicht … sie musste … er würde Kjell töten. Sie würde ihn nie wiedersehen.
    Niemals … nein, bitte nicht …
    Doch der Sog packte sie und riss sie unbarmherzig in die Schwärze hinein. Dorthin, wo sie ihm nicht helfen konnte.
    „Ganz ruhig“, raunte der Alte, fischte das Handy aus ihrer Manteltasche und warf es fort. Fae hörte das dumpfe Geräusch, mit dem es in den Schlick fiel. „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.“
    Ihr Bewusstsein schwand, aber es schaltete sich nicht völlig aus. Sie spürte, wie der Alte sie in den Arm nahm, und hörte ferne Stimmen:
    „Helfen sie mir, bitte helfen Sie mir. Meine Enkelin hat ihr Medikament vergessen. Bitte, mein Wagen steht gleich um die Ecke.“
    „Soll ich Sie nicht fahren, Sir?“
    „Oh nein, vielen Dank. Wir kommen schon klar. Wenn Sie meine Enkelin nur zum Wagen tragen könnten?“
    Fae kämpfte um Worte. Sie musste dem Fremden ihre Lage klar machen, irgendwie. Sie musste schreien. Sich wehren. Aber es war aussichtslos. Jemand hob sie hoch und trug sie davon.
    „Sind Sie sicher?“, hörte sie den Fremden fragen. „Verzeihen Sie mir, aber es scheint nicht nur Ihrer Enkelin schlecht zu gehen.“
    „Keine Sorge, junger Mann.“ Der Alte lachte. „Ich bin schon gefahren, als man das Auto gerade frisch erfunden hat.“
    Nein! Hilf mir!
    Bitte … ich bin nicht … nicht seine …
    Wieder entglitten ihr die Gedanken. Sie konnte nicht einmal die Augen öffnen. Fae spürte noch, wie man sie auf ein Polster aus glattem Leder legte. Sie hörte, wie eine Tür knallte.
    Dann war da nichts mehr.
~ Kjell ~
    Schweigend und einsam lag der See im Nebel. Diesmal gab es keine Boote, keine Segelschiffe und Besucher, die am Ufer entlangwanderten. Das Wasser dampfte in der Kälte. Mit sanften

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