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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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sich hin und spürte die nebelhaften Bewegungen des Monsters in der Tiefe.
    Ein Gedanke von ihm, und das Ungeheuer würde dieses Schiff zerschmettern. Die Seelen, die es hier zu fressen gab, waren zäh und versalzen. Aber sie waren Futter. Breac grinste. Die Mannschaft hielt ihn für seltsam, aber wie seltsam er wirklich war, würden sie erst erfahren, wenn sie starben. Die fleischgewordene Macht der Tiefe unterstand seinem Willen. Wenn er die Augen schloss, sah er die glimmenden Augen des Seelenfressers, deren Blick hungrig hin und her huschte. Er sah die Tentakel in dem aufgerissenen Schlund und einen Panzer aus stahlharten Knochenplatten, der den Rücken des Untiers bedeckte.
    Er musste es füttern. Bald.
    „Es dauert nicht mehr lange“, flüsterte er. „Ich schwöre es dir. Bald gehört er uns. Ich nehme mir sein Herz, und du bekommst sein Fleisch.“
~ Fae ~
    Die Atmosphäre war beklemmend. Ein alter Baum neigte sich über die Ruine des Hauses, gebeugt und knorrig, überwuchert mit glänzenden Efeublättern. Die zerstörten Fenster glichen ausgestochenen Augen, der Eingang einem aufgerissenen, zornigen Mund. Etwas Böses lag in der Luft. Oder bildete sie es sich nur ein, beeinflusst von der Vergänglichkeit, die den Ort umgab? Hier hatte Kjell gelebt? Nein, bestimmt nicht. Diese Ruine stand seit Ewigkeiten leer. Gras und Moos spross in den Mauern, das Dach war eingestürzt, die Holzbalken verfault. Wildblumen betupften die Schutthaufen mit weißen Sprenkeln. Faes Herz klopfte, als sie durch den Eingang schlüpfte. Die Haustür lag zersplittert im Inneren des Gebäudes, als hätte sie jemand mit einem Vorschlaghammer herausgeschlagen. Ein umgekippter Tisch lag im Raum, dahinter die Überreste eines Schrankes und einer Ofenbank. In der Feuerstelle lagen noch Scheite verkohlten Holzes, davor verrottete ein zerbeulter Kessel im bleichen Nachmittagslicht.
    Links von ihr hing ein Regal schief an der Wand, darunter entdeckte sie die Scherben von Tellern, Tassen und Schüsseln. Ein paar verrostete Gabeln, Löffel und Messer lagen im Gras, von der Feuchtigkeit aufgequollene Bücher hatten ihr Ende in einer Ecke gefunden und würden sich vermutlich in stinkenden Brei auflösen, sobald Fae versuchte, sie aufzuheben.
    Hatte ein Sturm das Haus zerstört? War es nur das Alter gewesen? Vielleicht ein paar gelangweilte Jugendliche?
    Eine halb eingestürzte Treppe führte in das obere Stockwerk, von dem nur noch die Reste zweier Mauern übrig waren. Wie Zahnstümpfe ragten sie in den Himmel hinauf. Die düstere Aura des Hauses schnürte Fae den Atem ab. Sie spürte alten Schmerz. Glaubte gar, säuselnde Stimmen zu hören, die von einer Ecke in die andere huschten. Sicher war es nur der Wind, der durch die Äste des Baumes oder durch die Fugen der eingefallenen Mauern strich. Aber es ging kein Wind. Zum ersten Mal, seit sie an dieser Küste wohnte, war die Luft vollkommen still.
    Siehst du, wie vergänglich alles ist?, meinte Fae es im Gebälk des Hauses wispern zu hören. Der Tod ist überall. Er ist stärker als das Leben.
    Fae würgte an dem Kloß in ihrem Hals. Er sackte tiefer und verwandelte sich in dumpfe Übelkeit. Sie hatte zu viel Fantasie, das war es. Es gab keine Stimmen, es gab kein Echo verwehten Schmerzes. Überhaupt wollte sie nichts vom Tod wissen. Rückwärts ging sie aus dem Haus und hielt den Atem an, um nicht das Aroma von Fäulnis auf ihrer Zunge zu schmecken.
    „Nicht mir mir“, spie sie wütend aus, fuhr herum und begann zu rennen. Ihr Körper war dünn und leicht, viel schwächer als früher, aber sie war immer noch schnell. Dicht am Rand der Klippen lief sie entlang, kletterte den Hang hinab, balancierte über algenbewachsene Felsen. Sie sprintete durch den Sand der Bucht und erklomm die Anhöhe auf der
    anderen Seite. Gras schmatzte unter ihren Füßen. Sie prägte sich alles genau ein und klammerte sich an alles, was sie noch fühlte. Die Geräusche ihrer Schritte, den Geschmack der salzigen Luft in ihrer Kehle, die unterschiedlichen Beschaffenheiten des Bodens, über den sie lief. Die Weichheit des Sandes, die schartige Härte der Felsen, den glitschigen Tang. Das Knacken der gelben und orangefarbene Schneckenhäuser, die überall im Sand lagen und mit ihren leuchtenden Farben an kleine, exotische Früchte erinnerten.
    Fae sog jedes Detail in sich auf, verschlang das flüchtige Glitzern des Sonnenlichts auf den Wellen und das heisere Schreien der Möwen, das Gleiten der Vogelkörper im Wind und

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