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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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schielte misstrauisch unter ihrem schwarzen Kopftuch hervor und musterte ihn.
    »Es ist geschlossen«, raunzte sie. »Geht auf den Kaulberg zum Doktor … «
    Dann schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen. »Jesusmariaundjosef, der junge Herr! Ach Gott, ach Gott, Kind, Corneli, dass du endlich da bist!«
    Sie nahm ihm den Packen Bücher ab und zog ihn in den Hausflur.
    »Lisbeth, komme ich noch in der Zeit? Wie geht es dem Vater?« Cornelius entwand sich ihrem Griff und löste die Kordel seines Umhangs. Die Alte schüttelte den Kopf und tat einen kleinen Schluchzer.
    »Ach Bub, vor drei Tagen ist er zum Herrn eingegangen, ganz friedlich und ruhig. Er hat bloß noch einmal nach Luft geschnappt, und dann war er für immer still.« Sie bekreuzigte sich. »Deine Mutter ist im Garten, komm.«
    Sie nahm Cornelius am Handgelenk, so wie sie es getan hatte, als er noch ein Kind war, und zog ihn durch den weiten Flur zur Hintertür.
    Draußen im kleinen Gärtchen blühten die bunten Astern in üppiger Pracht. Efeu überwucherte die Mauern, und der alte Zwetschgenbaum hing voll praller violettblauer Früchte. Cornelius trat hinaus in die Sonne und ging den gepflasterten Weg entlang bis zum kleinen Schuppen, hinter dessen Ecke ein steingefasstes Brünnlein mit Schwengelpumpe das Doktorhaus mit stets sauberem Wasser versorgte. Neben diesem Brunnen wuchs ein alter Hollerbusch, und davor stand seit Cornelius’ Kinderzeit eine hölzerne Bank, der Lieblingsplatz seiner Mutter.
    Sie hatte ihn schon kommen sehen, und nun streckte sie die Arme nach ihm aus. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Als er bei ihr war, sank er auf die Knie und umfasste ihre Schultern. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände.
    »Wenn er doch bloß noch so lange gelebt hätte«, schluchzte sie und küsste seine Stirn und Wangen. »Du warst immer sein Ein und Alles. Und gestern haben wir ihn begraben.«
    Auch Cornelius stieg jetzt das Wasser in die Augen.
    »Es ging nicht schneller.« Er wiegte seine Mutter tröstend hin und her. Alt war sie geworden. Er konnte sich nicht erinnern, dass ihr Gesicht so faltig gewesen war, und auch die Haare, die unter der Haube hervorlugten, waren nicht mehr dunkelbraun, sondern fast weiß. Klein und zerbrechlich war sie schon immer gewesen, aber jetzt, als er sie hielt, kam sie ihm winzig vor. Nach einer Weile setzte er sich neben sie, und sie sprachen wehmütig über alte Zeiten, Krankheit und Tod des Vaters, endlich die Zukunft. Als die Sonne gelb wie Honig hinter den Ästen des Zwetschgenbaums sank, löste sie sich von ihm und lächelte unter Tränen.
    »Komm, lass uns hineingehen. Du musst hungrig sein und durstig.«
    Er nickte und stand auf. Dann hob er sie vorsichtig hoch und trug sie hinein in die Stube. Sie war leicht wie eine Feder. Drinnen setzte er sie auf dem bequemen Räderstuhl ab, den man vor so langer Zeit für sie gebaut hatte, nachdem die Hoffnung geschwunden war, dass sie jemals wieder gehen würde. Kurz nach Cornelius’ Geburt hatte ein Fuhrwerk sie überrollt; tagelang war sie zwischen Leben und Tod geschwebt. Wäre ihr kleiner Sohn nicht gewesen, so sagte sie später, dann hätte sie den Unfall wohl nicht überlebt. Sie wurde wieder gesund, doch seit diesem Tag konnte sie ihre Beine weder spüren noch bewegen. In bewundernswerter Weise ertrug sie ihr Schicksal, ohne Selbstmitleid und ohne Klagen, eine starke Frau, vor deren Kraft, das Leben zu meistern, die ganze Stadt Hochachtung hatte.
    »Du wirst die Offizin in bestem Zustand vorfinden, mein Lieber«, sagte sie später, als sie bei einer Mahlzeit aus Räucherfisch und Zeiler Wein zusammensaßen. »Die Lisbeth und ich haben das letzte Vierteljahr alles so gepflegt, als ob dein Vater noch jeden Tag darin gearbeitet hätte. Wenn du willst, kannst du also schon morgen in der Stadt bekanntmachen, dass du die Nachfolge antrittst.«
    Cornelius spülte den letzten Bissen Regnitzforelle hinunter. »Ein paar Neuerungen habe ich schon vor, Mutter. Schließlich hat sich die Medizin um einiges verändert, seit der Vater studiert hat. Nicht alles kann mehr mit der alten Lehre von den vier Säften erklärt werden. Wir wissen jetzt alles über den Aufbau des menschlichen Körpers, weil wir an den Universitäten Leichen sezieren. Und es gibt neue Heilmittel, chymische Substanzen, die man durch Destillation gewinnt. Hast du gewusst, dass man inzwischen die Temperatur des Körpers messen kann? Und dass man annimmt, das Blut wird vom Herz im Kreis herumgepumpt? Und

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