Die Seelenjägerin - 1
der Dichter Belsarius einmal als »Diamantblick« bezeichnete, um auszudrücken, dass diese Oberfläche durch nichts anzukratzen ist. Gesicht und Hände sind peinlich sauber – wahrscheinlich hat sie beides erst vor einer Stunde geschrubbt –, doch ansonsten hat sie die leichte Patina eines Menschen, für den Reinlichkeit nicht wirklich selbstverständlich ist. Ein Bauernkind vermutlich, in der Stadt geboren, ohne Liebe und unter schlimmen Bedingungen aufgewachsen, aber dennoch bemüht, mit Anstand aufzutreten. Interessant.
Er spielt für einen Moment mit dem Gedanken, ein Quäntchen Macht an sich zu ziehen, um mehr über sie zu erfahren. Aber das hat er sich längst abgewöhnt, die Versuchung geht vorbei.
»Meister Aethanus, Magister von Ulran?«
Seine Miene verfinstert sich, sein Interesse, das kurz aufgeflackert war, erlischt sofort wieder. »Ich erhebe keinen Anspruch mehr auf diesen oder einen anderen Titel, Kind.« Seine Stimme klingt so schroff, wie es die Frage erfordert. Die kleine Rotznase will also, dass er irgendeinen Zauber für sie wirkt, und ist bis zu diesem Haus vorgedrungen, das er gerade deshalb mitten im Wald gebaut hat, um ungestört leben zu können? Von allen Anliegen, mit denen man ihn belästigen könnte, ist dies bei Weitem das ärgerlichste. »Such dir eine Hexe, wenn du Hilfe brauchst, von denen laufen genug herum.«
Er schlägt ihr die Tür vor der Nase zu und setzt sich wieder an seine Arbeit. Zumindest hat er das vor. Aber sie hat ihren kleinen Fuß in die Tür gestellt, und er muss verwundert erkennen, dass er nicht herzlos genug ist, um ihn zu zerquetschen.
Er starrt sie wütend an. Ihre Augen sind wahrhaftig wie zwei Diamanten.
»Wenn Ihr mich anhören wolltet«, sagt sie – sie beugt leicht das Knie wie zu einem Knicks, nur weiß sie nicht, wie man es richtig macht – »ich bin gekommen, um die Magie zu erlernen.«
»Wie gesagt, such dir eine Hexe. Ich bin kein Lehrer.«
Wieder schlägt er die Tür beinahe zu. Wenn dieses Kind den Eindruck hat, er meine es ernst, wird es den Fuß hoffentlich im letzten Moment zurückziehen, und er kann sie vollends schließen. Aber die Kleine rührt sich nicht von der Stelle, und er will sie nicht zum Krüppel machen – womöglich müsste er sie dann heilen –, also seufzt er abermals und findet sich damit ab, das Gespräch zu Ende zu führen.
»Ich will nicht bei einer Hexe in die Lehre gehen, Herr. Ich möchte die wahre Magie erlernen.«
Sein nächster Seufzer klingt gereizt. »Das geht nicht, du bist ein Mädchen. Kann ich jetzt meine Arbeit fortsetzen?«
Aber die Göre lässt sich nicht vertreiben. Die Diamantaugen sehen ihn unverwandt an. »Verzeiht die Frage, Herr, aber wieso wollt Ihr kein Mädchen unterrichten?« Die Worte sind höflich, aber der Ton ist hart. Das war nicht die Antwort, die sie hören will, und sie wird sich, verdammt noch mal, so lange nicht von der Stelle rühren, bis sie eine bessere bekommt.
Mit einem weiteren Seufzer zieht er die Tür wieder auf und geht in die Knie, um auf Augenhöhe mit ihr zu sprechen. »Weil Frauen nicht fähig sind, die Macht zu beherrschen. Das ist eine Tatsache. Glaubst du, du wärst als Erste auf die Idee gekommen? Die weibliche Natur ist den Anforderungen der echten Magie nicht gewachsen. Viele Frauen haben es versucht, aber sie handhaben die Macht nur so wie die Hexen und sterben wie sie an Überanstrengung. Wenn du diesen Weg einschlägst, wird es dir nicht anders ergehen.« Er richtet sich wieder auf. »Vergiss die Macht und führe ein langes und glückliches Leben. Einen anderen Rat kann ich dir nicht geben.«
»Männer können beides.«
»Richtig. Männer können beides.« Doch auch von den Männern, die Magister werden wollen, scheitern die meisten, denkt er, und enden als einfache Hexer. Wer es alleine schaffen will, ohne Lehrer, hat kaum eine Chance. Er verbringt sein kurzes Leben mit der Jagd nach einem Traum, den sich nur herzlich wenige erfüllen dürfen, und stirbt frühzeitig, weil sich sein Seelenfeuer erschöpft. Manchmal, und das sind die schlimmsten Fälle, gelingt es auch … und mit dem Erfolg kommt der Wahnsinn.
Magister zu werden ist eine Sache. Die Bedeutung dessen, was man geworden ist, zu begreifen, sich damit abzufinden und weiterzuleben, ist eine ganz andere.
»Was habe ich denn an mir, das es unmöglich macht?«, will das Mädchen wissen. »Ist es irgendein weibliches Organ? Das schneide ich mir heraus.«
Ihre Dreistigkeit ist lächerlich, und
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