1214 - Draculas Rivalin?
Der Wein! Es musste der Wein gewesen sein. Für Lilian gab es keine andere Erklärung. Er war präpariert worden. Darin hatte sich ein verdammtes Zeug befunden, das für ihren Zustand gesorgt hatte…
Sie hatte sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Sie war in den tiefen Tunnel der Bewusstlosigkeit gefallen und erlebte nun, wie sie wieder aufbrach. Was in der Zwischenzeit mit ihr geschehen war, wusste sie nicht. Da konnte sie nicht mal raten, aber sie war nicht gestorben. Das zu wissen, tat ihr schon mal gut und gestaltete sich als eine neue Kraftquelle.
Ich lebe, und ich kann mich bewegen dachte sie. Ich bin nicht gefesselt. Ich spüre auch keine Schmerzen. Abgesehen von dem Unwohlsein, das auf den Genuss des Weins zurückzufü hren ist.
Was ich jetzt brauche, ist Ruhe!, dachte sie. Ruhe und Nachdenken. Nur nicht in Panik verfallen.
Der Kopf brummte leicht. Im Mund lag ein Geschmack, den sie am liebsten vergessen wollte. Auch der Magen war nicht unbedingt normal. Sie spürte schon eine gewisse Übelkeit, die von ihm hoch stieg, aber es war nicht so schlimm, als dass sie sich hätte übergeben müssen. Der einzige Punkt, der sie richtig störte, war die Kälte, die allmählich durch ihren Körper drang.
Sie kam von unten, und es lag daran, dass sie auf einem harten, felsigen Boden lag.
Die sie umgebende Luft hatte zudem eine bestimmte Eigenschaft, sie war feucht und kühl. So kam ihr in den Sinn, dass sie möglicherweise in einem Keller lag. Dies wiederum verband sie mit dem Gedanken an das Heim, das so einsam in der Landschaft stand. Es war gut vorstellbar, dass sie im Zustand der Bewusstlosigkeit in den Keller geschafft worden war.
Sie und John Sinclair!
Auch ihn musste es erwischt haben. Dabei hoffte sie, dass er sich in ihrer Nähe aufhielt und man ihn nicht umgebracht hatte.
Diesem fast immer lächelnden Carlo Rosetti traute sie einfach alles zu.
Je mehr Zeit verging, desto besser ging es ihr. Ein gewisses Unwohlsein blieb zwar zurück, aber das war auch alles.
Es war nicht so dunkel wie sie befürchtet hatte. Ein ungewöhnliches Licht erreichte sie. Es leuchtete in einer eher künstlichen Farbe und bestand aus einer Mischung zwischen blau und grün. Es leuchtete nicht in ihrer unmittelbaren Nähe.
Wenn sie die Quelle sehen wollte, musste sie schon weit nach vorn schauen und sich dabei zur Seite drehen.
Das tat Lilian auch.
Etwas zu hastig, denn in der Bewegung erwischte sie der Schwindel, und sie hatte dabei das Gefühl, sich noch einige Male um die eigene Achse zu drehen.
Erst als Lilian sicher war, wieder okay zu sein, stemmte sie sich langsam in die Höhe. Sie wollte nicht sofort aufstehen, das wäre bestimmt nicht gut gewesen. Alles musste langsam gehen, denn jeder Schritt war gewöhnungsbedürftig.
Mehrmals atmete sie tief ein und aus. Sie hörte, wie ihr Atem über die Lippen pfiff, und auch das eigene Stöhnen gefiel ihr nicht. Aber sie riss sich zusammen, hob den Kopf, zwinkerte mit den Augen, weil sie jetzt direkt in die helle Fläche hineinschaute und erlebte dabei, dass dort nicht nur das Licht vorhanden war, sondern eine Szene beleuchtete.
Plötzlich schlug ihr Herz schneller.
Aus dem Mund wehte ein leiser Schrei. Es war zudem ein Laut des Wehklagens, denn was ihr das Licht enthüllte, war einfach grauenhaft.
Eine Szene. In ihrer Gesamtheit unheimlich und irgendwie abstoßend, aber das Schlimmste, was sich ihren Augen bot, war der Vordergrund dieses noch starren Bildes.
Denn dort lag ihre Schwester Eva halb nackt und gefesselt auf dem kalten Steinboden!
***
In einem Reflex schloss Lilian die Augen. Sie hoffte stark, dass ihr die Fantasie einen Streich spielte und sie sich das alles nur einbildete, aber sie wusste zugleich, dass sie sich nicht geirrt hatte, denn so etwas konnte man sich nicht einbilden.
Die Szene war echt! Alles war echt. Furchtbar. Ein Albtraum, wie er schlimmer für sie nicht hätte sein können. In ihrem Kopf drehte sich alles, und wieder hatte sie das Gefühl, wegzuschwimmen. Es dauerte eine Weile, bis sie wieder stark genug war, um die Augen zu öffnen.
Es hatte sich nichts verändert. Ihre Schwester lag wie zum Greifen nahe vor ihr und war trotzdem irgendwie weit entfernt.
Man hatte sie auf den Rücken gelegt. Die Arme waren nach oben gestreckt.
Um beide Handgelenke spannten sich die eisernen Klammern ebenso wie um die Gelenke an den Füßen. Beide Klammern waren mit Ketten verbunden. Aus eigener Kraft würde sich Eva nicht befreien. Der
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