Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
Vom Netzwerk:
getötet.
    Es gibt nur ein Gesetz , hatte ihr Aethanus erklärt, das über allen anderen steht: Kein Magister darf jemals einen anderen Magister töten.
    Jemand kam aus dem Savresi-Turm, um nachzusehen, was der Aufruhr zu bedeuten hatte. Sie zog die Schatten der Dämmerung um sich, um nicht gesehen zu werden. Ihre Beine zitterten und ohne die stützende Mauer wäre sie vielleicht zu Boden gesunken.
    Ich habe das Magistergesetz gebrochen.
    Jeden Moment würde einer der Magister herauskommen, die auf dem Fest zu Gast waren, und den verrenkten Leichnam sehen. Sie wusste nicht, was passieren würde, wenn er zu ihr emporschaute. Wahrscheinlich würde er ihre unsichere Magie sofort durchdringen und die blasse, verängstigte Frau dahinter entdecken. Keinesfalls konnte sie auf das Fest zurückkehren und so tun, als wäre nichts geschehen; ein Zauberer bräuchte sie nur anzusehen, um zu spüren, dass etwas nicht stimmte.
    Ich kann hier nicht bleiben.
    Grauen und Verzweiflung, Scham und Wut brodelten in ihr, ein heißes, explosives Gemisch, das keine lebende Seele zu halten vermochte. Die Gefühle brachen aus ihr heraus, und sie schrie, schrie zu den Himmeln empor und zur Hölle hinab, sie schrie, bis ihre Kehle wund war und ihr die Stimme versagte. Zwar zog sie genügend Macht um sich, um ihre Stimme für alle anderen Lebewesen unhörbar zu machen, aber sie hörte sich selbst und erzitterte vor den tierischen Lauten aus ihrer eigenen Kehle.
    Neue Gestalten kamen aus dem Turm, und ein paar von ihnen trugen schwarz. Mit einem letzten Aufschluchzen entzog sie ihrem Konjunkten genügend Kraft, um ihren Körper mit Macht zu tränken und auf eine Verwandlung vorzubereiten, einen Zauber höherer Ordnung, zu dem sie in ihrer Erschütterung kaum fähig war. Aber ihr blieben nur Sekunden, bevor jemand nach oben blickte, das verstärkte ihre Angst und verlieh ihr neue Kräfte.
    Einen Augenblick später hob tatsächlich ein Mann den Kopf und suchte nach der Stelle, von wo der Magister abgestürzt sein musste.
    Einer der Schwarzröcke folgte seinem Blick, um nach Anhaltspunkten zu forschen, die einem Morati-Auge verborgen bleiben mussten.
    Keiner von beiden wurde fündig. Nur eine Eule mit mächtigen Schwingen kreiste am Himmel, stieß herab, wandte sich nach Süden und war alsbald verschwunden.

Kapitel 20
    Bei Sonnenuntergang glaubte Andovan, die Türme zu sehen.
    Er stand ganz oben auf einem Hügel und hatte freien Blick nach Westen. Über dem Horizont loderte das rötliche Licht der untergehenden Sonne so heftig, als brenne die Erde selbst. Wenn er die Augen fest zusammenkniff, glaubte er, vor diesem Licht Gansang zu erkennen. Zumindest seine Türme: hoch genug und so dicht beieinander, dass das Licht nicht durchdringen konnte, lagen sie wie ein schwarzer Fleck im Sonnenfeuer über dem orangeroten Horizont und unter dickbäuchigen Purpurwolken mit lachsfarbener Unterseite.
    Es war Gansang. Es musste Gansang sein.
    Unmöglich zu schätzen, wie weit es entfernt war – es war eine Landschaft, die alle Entfernungen verzerrte. Aber es konnten von seinem Standort aus doch wohl nicht mehr als ein, höchstens zwei Tagesritte sein.
    Ein Zittern überfiel ihn, und er holte tief Atem. Die Träume waren von Nacht zu Nacht eindringlicher und klarer geworden, das Bild der Türme hatte sich förmlich in sein Gehirn eingebrannt. Jeden Morgen war er mehr davon überzeugt gewesen, tatsächlich von Gansang geträumt zu haben. Jetzt war er fast da; die Vorstellung machte ihn schwindeln.
    Der Schwindel hatte allerdings auch noch andere Gründe.
    Seine Krankheit war weiter fortgeschritten, so wie alle Ärzte und Magister es vorausgesagt hatten. Langsam und unerbittlich wie eine unsichtbare Würgeschlange drückte sie die Lebenskräfte aus ihm heraus. Früher hatte er mühelos einen ganzen Tag lang im Sattel gesessen; nun musste er manchmal schon mittags anhalten und absteigen. Wenn gegen Morgen die Träume verblassten, fiel es ihm mit jedem Tag schwerer, sich zu erheben, sich anzukleiden und sich den allmorgendlichen Verrichtungen zu widmen. Wenn er am Abend sein Nachtlager aufschlug, musste er all seine Kräfte zusammennehmen, um nicht ohnmächtig zu Boden zu sinken, sondern erst sein Pferd zu versorgen, bevor er sich schlafen legte.
    Nur die schiere Willenskraft hielt ihn aufrecht. Und der ferne Sirenengesang der Hoffnung, der ihm versprach, wenn er die Frau fände, die für seine Krankheit verantwortlich war, wenn er herausbekäme, wie und warum sie

Weitere Kostenlose Bücher