Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
Vom Netzwerk:
Gesicht wurde womöglich noch bleicher.
    »Ein Nest«, flüsterte er.
    Er schaute über die Landschaft, durch das Feld der Pfähle und über die Schlucht des Königspasses hinweg zu den Granitfelsen auf der anderen Seite. Alsbald entdeckte er ein breites, mit Schutt übersätes Felssims an einer Stelle, die kein Mensch erklimmen konnte, ohne dabei Kopf und Kragen zu riskieren. Dagegen könnte sich ein Wesen mit Flügeln bequem dort niederlassen. Selbst wenn es sehr groß wäre. »Da drüben«, sagte er.
    Colivar nickte. »Geh. Ich will eine Bestätigung.«
    Es kam selten vor, dass ein Magister einem anderen einen Befehl erteilte, und Sula zögerte zunächst. Doch die Art, wie Fadir ihn ansah, zeigte deutlich, dass sich Colivar dank seines Wissens in diesen Dingen unmerklich eine gewisse Autorität erworben hatte, also nickte er schließlich und tauschte seine menschliche Gestalt gegen einen Vogelkörper, um die Stelle fliegend erreichen zu können.
    Der Wind wurde allmählich kälter, die Sonne versank hinter den Bergen. Was Sula suchte, war schwer zu finden, aber Colivar hatte ihn gut ausgebildet, und kurz bevor die Schatten des Abends auf diesen Teil des Felsenbandes fielen, hatte er das Nest freigelegt.
    Im ersten Moment starrte er die zerbrochenen Eierschalen nur an und versuchte sich zu sammeln. Colivar schien mit alledem spielend fertig zu werden, doch ihm gelang das nicht. Die Seelenfresser waren ein Mythos, und als sie das letzte Mal über die Erde flogen, sei die Menschheit, so erzählte man sich, rettungslos in Barbarei versunken. All die hehren Monumente, all die stolzen Kulturen des Ersten Königtums waren dem grausamen Angriff zum Opfer gefallen und untergegangen. Die Seelenfresser mochten Bestien sein – vielleicht sogar natürlich entstanden –, aber sie hatten es sich redlich verdient, zum Mythos zu werden. Dass sie jetzt zurückkehren könnten, war ein erschreckender Gedanke.
    Die Magister werden irgendwie überleben , dachte er, aber was nützt es dem Einzelnen, am Leben zu bleiben, wenn seine Welt zerstört ist?
    Endlich nahm er sich zusammen, hob ein Stück Eierschale auf, um es mitzunehmen, und kehrte zu den beiden wartenden Magistern zurück. Die Eierschale, die er in den Krallen hielt, lag in seiner Hand, als er in seine menschliche Gestalt zurückkehrte, und er streckte sie den anderen in grimmigem Schweigen entgegen. Sie war so groß wie eine Männerfaust und schillerte an der Innenseite dunkler als außen, bläulich schwarz wie der Himmel kurz vor Einbruch der Nacht.
    Der Muskel an Colivars Unterkiefer begann wieder zu zucken. »Wie viele waren es?«
    »Ein Nest auf dem Felssims. Viele Eier, alle zerbrochen. Es …« Er zögerte. »Es könnte noch mehr geben. Anderswo. Nicht wahr?«
    »Was ist das?«, fragte Fadir.
    »Der Grund, warum so viele sterben mussten.« Colivar nahm Sula die Eierschale ab, betrachtete sie und reichte sie an den rothaarigen Magister weiter. »Hier war eine Brutstätte der Ikati. Und die hier …« Er wies auf den Wald gepfählter Leichen. »… dienten ihnen als Futter für ihre Jungen.«
    Tiefe Falten gruben sich in Fadirs breite Stirn. »Wer immer diese Menschen tötete, wollte also einen Seelenfresser füttern? Um ihm beim Brüten zu helfen?« Er atmete hörbar ein. »Ist dir klar, was du da unterstellst?«
    Colivar nickte düster.
    »Aber nur ein Wahnsinniger wäre zu einer solchen Tat fähig! Man weiß doch, dass die menschliche Kultur nahezu ausgelöscht wurde, als diese Ungeheuer das letzte Mal ungehindert umherstreifen konnten.«
    »Ich habe gehört, der Großkönig hätte den Verstand verloren«, bemerkte Sula. »Der Tod seines Sohnes hätte seinen Geist zerrüttet und eine Blutgier geweckt, die mit noch so viel Gewalt nicht gestillt werden könne.«
    »Verrückt war er schon immer », sagte Colivar, »aber er hatte lange Zeit einen vernünftigen Ratgeber. Der ist jetzt nicht mehr bei ihm.«
    »Du meinst Ramirus?«, fragte Fadir. Colivar nickte.
    »Ich hatte den Eindruck, du hieltest nicht viel von ihm.«
    »Ich mochte seinen Herrn nicht. Das ist etwas anderes.«
    »Würdest du Danton eine solche Tat zutrauen? Wäre er töricht genug, diese … diese verruchten Wesen zur Rückkehr aufzufordern?«
    Colivar kniff die Lider zusammen; der Blick seiner schwarzen Augen war unergründlich. »Der Großkönig mag ein Narr sein, aber er ist kein Dummkopf. Man braucht kein Genie zu sein, um zu begreifen, dass alle Reiche, alle Fürsten und … alle Magister

Weitere Kostenlose Bücher