Die Seelenjägerin - 1
werde sehen, was ich tun kann, um dir eine Anstellung zu verschaffen.«
Dann verließ sie ihn, zumindest körperlich. Denn bis die Erinnerung an die Wärme seiner Seele aus ihrem Fleisch … und ihrem Geist gewichen war, dauerte es sehr, sehr lange.
In dieser Nacht schlief Prinz Andovan zum ersten Mal seit vielen Tagen friedlich.
Kamala träumte von Faltern.
Kapitel 33
Der Stützpunkt am Königspass lag hoch oben in den Bergen, wo es kalt und frostig war. Doch der Anblick, der die Besucher erwartete, ließ sie noch mehr erschauern als die Kälte. Die von Colivar beschworenen Bilder hatten ihnen nur einen leisen Vorgeschmack gegeben.
Die drei Magister standen in einem regelrechten Todeswald unter den leeren Augenhöhlen grotesk verrenkter Skelette. Die Aasfresser der Gegend hatten in der Zeit, in der Antuas sich nach Süden durchgeschlagen hatte, ganze Arbeit geleistet: die gepfählten Körper waren restlos vom Fleisch befreit, und manchen fehlten einzelne Gliedmaßen, die irgendein Tier verschleppt hatte. Wo die Räuber die Gebeine aufgebrochen hatten, um an das Mark zu gelangen, lagen Knochensplitter herum. Der schlimmste Verwesungsgestank hatte sich verzogen, aber wenn der Wind über das Feld der Pfähle wehte, spürte man noch einen Hauch davon und konnte sich vorstellen, wie schrecklich er gewesen sein musste, als Antuas hier gewesen war.
Colivar betrachtete die Szene mit einem Gesichtsausdruck, der Sula erzittern ließ. In all ihrer gemeinsamen Zeit hatte er seinen einstigen Lehrer nie so gesehen und auch nie jene geballte Energie gespürt, die, wenn man sie freisetzte, sicherlich alles in weitem Umkreis zerstören würde. Er wusste, dass Colivar nicht nur das Schlimmste erlebt hatte, was Sterbliche einander in Kriegszeiten antun konnten, sondern auch Zeuge zahlloser magischer Gräueltaten geworden war; wenn es also hier etwas gab, das diese Finsternis in ihm zum Vorschein bringen konnte, dann musste es wahrhaft furchterregend sein.
Die drei hatten sich kurz getrennt: Colivar wollte sich das Feld der Pfähle ansehen, Fadir hatte sich auf die Suche nach eventuell noch vorhandenen Spuren des Nachschubtrupps gemacht, und Sula suchte eine Bestätigung für das Aufsteigen der großen geflügelten Bestie, jenen Teil der Vision des Hexers, der sie alle am meisten beunruhigte. Als der junge Magister nun an die Seite seines Lehrers zurückkehrte, schien es ihm, als wäre der Colivar verschwunden, den er kannte, und an seiner Stelle stünde ein Fremder mit aschgrauem Gesicht neben ihm, dessen Blick nicht auf diese Stätte des Grauens gerichtet war, sondern auf eine ferne, aber noch hundertmal schrecklichere Vision.
»Ich habe Spuren eines großen Wesens gefunden«, berichtete Sula. »An der gleichen Stelle, wo es in der Vision aufgestiegen war. So weit ist die Geschichte wahr.« Colivar wandte sich langsam zu ihm um, seine schwarzen Augen lagen tief in den Höhlen und blickten gehetzt. »Aber nichts weist darauf hin, dass es noch weitere von der Art gäbe.«
»Es wird auch keine mehr geben«, sagte Colivar leise.
Nun kam Fadir zurück. Auch er machte ein grimmiges Gesicht. »Ich habe den Nachschubtrupp gefunden. Die meisten wurden zusammen mit ihren Pferden getötet. Einige wollten offenbar noch in den Wald fliehen, aber sie kamen nicht weit.«
»Wer hat sie getötet?«, fragte Sula.
»Sicherlich keine Menschen. Sie wurden bei lebendigem Leib in Stücke gerissen.« Er zuckte steif die Schultern. »Keine Ahnung.«
»Die Erinnerungen des Hexers waren also ziemlich wahrheitsgetreu.«
»Sieht ganz so aus.« Fadirs Unterkiefer spannte sich, als er über das Leichenfeld blickte. »Ich hatte gehofft, er hätte zumindest in Teilen unter Wahnvorstellungen gelitten.« Er sah Colivar an. »Glaubst du, er hat einen echten Seelenfresser gesehen? Einen von diesen … Wie hast du sie genannt … Ikati?«
»Was sollte dies alles sonst für einen Zweck haben?« Colivar deutete auf das Feld der Pfähle und die Stelle dahinter, wo der Nachschubtrupp niedergemacht worden war. »Was sonst sollte der Beweggrund dafür sein?«
»Wie wäre es mit einer Geste, um die Feinde des Großkönigs in Angst und Schrecken zu versetzen? Wir reden schließlich von Danton Aurelius. Seine Abneigung gegen Corialanus ist kein Geheimnis. Ebenso wenig wie sein Hang zur Brutalität. Eine solche Demonstration wäre ihm durchaus zuzutrauen. Eine Warnung an alle, die an einen Aufstand denken: Wer sich mir widersetzt, erleidet das gleiche
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