Die Seelenjägerin - 1
Magistern in diesem Teil der Welt war Ramirus vermutlich der Einzige, der sich noch nie mit der Herrscherin von Sankara eingelassen hatte. Durchschaute der Königliche Magister, dass das Geplänkel nur ein Ablenkungsmanöver war, oder ahnte er wirklich nicht, wie viele seiner Brüder Beziehungen zu Sankara unterhielten? Letzteres hielt Colivar für unwahrscheinlich. Andererseits lebte man in unwahrscheinlichen Zeiten.
»Brüder!«, mahnte Lazaroth streng. »Ich fürchte, wir vergessen, warum wir eigentlich hier sind.«
»Meinst du?«, fragte Ramirus leise, den Blick auf Colivar gerichtet. »Ich bin mir nicht sicher.«
Colivar zuckte ein drittes Mal die Schultern; sein betont unbeteiligter Gesichtsausdruck verriet nichts von seinen Gefühlen. »Du kannst ja Ermittlungen anstellen. Allerdings wüsste ich nicht, welchen Vorteil sie davon haben sollte, dass Dantons dritter Sohn erkrankt ist … solange Rurick herumstolziert, wird Andovan nicht viel erben, aber lass dich bitte nicht abhalten.«
»Hättest du wirklich nichts dagegen?«, fragte Ramirus leise. »Oder wäre es dir doch nicht gleichgültig, wenn meine Erkenntnisse … gegen sie sprächen?«
Colivars Augen waren hart und kalt, ihr Blick so schwarz wie eine mondlose Nacht. »Siderea Aminestas ist eine Morata«, sagte er knapp. »Verglichen mit unserer Lebensspanne währt die ihre nur einen Lidschlag. Eine flüchtige Brise, die von stärkeren Winden geschluckt wird. Im Angesicht mächtigerer Stürme zählt das Ende einer kleinen Brise nicht viel. Wir, die wir die Stürme lenken, wissen das.«
»Aber wir wissen noch nicht, ob sie tatsächlich hinter alledem steckt«, gab Kellam zu bedenken. »Wir haben keine Beweise, wir haben sie nur deshalb in Verdacht, weil sie unter den Morati mächtig genug ist, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Außerdem ist sie für Danton ein begehrenswertes Ziel«, erinnerte Fadir. »Das sollten wir nicht vergessen.« Er wandte sich an Ramirus. »Wir, die wir nicht unter Dantons Einfluss stehen, sehen seinen politischen Ehrgeiz nur zu genau. Sankara wäre in der Krone jedes Eroberers ein Juwel. Ich jedenfalls ließe mich nur unter Protest in eine Ermittlung hineinziehen, die lediglich den Zweck hätte, eine Morati-Rivalin deines elenden Königshauses in Verruf zu bringen.«
Die schneeweißen Brauen zogen sich grollend zusammen. »Unterstellst du mir, ich würde um der Machenschaften der Morati willen diese Bruderschaft manipulieren?«
»Ich bitte euch!« Lazaroth hob die Hand. »Wir sind weder Kinder noch Dummköpfe. Es gibt auf dieser Erde keinen Magister, der seine Kollegen nicht irgendwann manipuliert hätte, um die Ziele der Morati zu fördern. Wir sollten die Zeit nicht mit scheinheiligen Beteuerungen vergeuden.«
»Ganz richtig«, bemerkte Severil. »Wenn wir uns nicht mit den Morati beschäftigen und uns mit ihren politischen Spielchen die Zeit vertreiben könnten, müssten wir wohl oder übel mit unseresgleichen verkehren … und das würde jedenfalls mich in den Wahnsinn treiben.«
Colivars Augen glitzerten höhnisch. »Wir wären schon in erbärmlich schlechter Gesellschaft, nicht wahr?«
Suhr-Halim meldete sich aus einer dunklen Ecke und fragte ruhig: »Was wurde bisher unternommen, um mehr über diese rätselhafte Frau zu erfahren?«
»Du meinst, mit Magie?«
Der Magister nickte.
»Zu gefährlich«, sagte Kellam. »Wenn unser Gastgeber recht hat und Andovan an der Schwundsucht leidet, endet jeder Versuch, den Verursacher durch Zauberei ausfindig machen zu wollen, mit dem Tod. Das musste wohl auch die Hexe erfahren, an die er sich gewandt hat.«
»Hexen sind sterblich«, gab Colivar zu bedenken. »Sie sterben zumeist während eines Zaubers, denn letztlich bringt die Magie sie um. Hat jemand bei dieser Hexe die genaue Todesursache festgestellt? Oder gehen wir alle nur von Vermutungen aus?«
Betretenes Schweigen breitete sich aus.
»Schön.« Der Magister lehnte sich zurück. »Dann sollte das wohl unsere erste Aufgabe sein.«
»Willst du deine Dienste anbieten?«, fragte Ramirus.
Colivars schwarze Augen glitzerten im Schein der Lampen. »In einer Angelegenheit, die so offensichtlich im Rahmen deiner Fähigkeiten liegt, würde ich mich niemals vordrängen. Schließlich könnten das gewisse Magister als Beleidigung auffassen.« Er lachte leise. »Und ich möchte nun wirklich niemandem zu nahe treten.«
»Es gibt Verfahren, bei denen das Risiko nicht allzu groß ist«, erklärte Suhr-Halim. Er sprach mit
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