Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
Vom Netzwerk:
an einem fernen magischen Punkt zu verankern, und als ihr Talesin die Hand reichte, um es mit ihr zu durchschreiten, nahm sie sie ohne Zögern. Aethanus hatte sie gut ausgebildet, sie wusste, wie wichtig es war, vor anderen Magistern keine Unsicherheit zu zeigen. Und so trat sie so selbstverständlich in den Zauber hinein, als hätte Talesin sie zu einem Spaziergang am Strand eingeladen. Auch wenn er ihr erklärt hatte, Colivar sei der Diener des größten Feindes seines Vaters, und ihr die Beziehung zwischen den beiden nicht geheuer war. Auch wenn sie nicht so sicher war wie er, dass dieses Zauberportal genau das war, was Colivar behauptete, oder an den Ort führte, den er versprochen hatte. Ein Magister zeigte vor anderen Magistern keine Furcht.
    Durch ein Portal zu treten, das ein anderer Magister errichtet hatte, war schwindelerregend, und sie musste, nur um sich auf den Beinen zu halten, kurz die Augen schließen und ihre Sinne beruhigen. Als sich der Boden unter ihren Füßen allmählich verfestigte, schlug sie die Augen wieder auf. Was sie sah, entsprach nicht ihren Erwartungen, und einen Moment war sie wie benommen. Sie spürte, wie Talesin neben ihr zusammenzuckte, und fürchtete einen schrecklichen Moment lang, Colivar hätte tatsächlich ein falsches Spiel getrieben und den Sohn seines Feindes an einen unbekannten Ort verschleppt. Das konnte nicht der Stammsitz sein, den Talesin ihr geschildert hatte, während sie ihre Habseligkeiten einsammelten. In seiner Stimme hatte so viel Sehnsucht gelegen, sie hatte gespürt, wie sehr er sich wünschte, wieder nach Hause zu kommen …
    Nein, vor ihnen lag tatsächlich Dantons Palast; Talesin deutete mit zitternder Hand auf den alten Wohnturm, den der Großkönig zum Herzstück seines Reiches gemacht hatte. ( Du musst ihn Andovan nennen , ermahnte sie sich und flüsterte seinen wahren Namen probeweise vor sich hin.) Der Palast hätte jedoch von Bäumen und Parkanlagen umgeben sein müssen, von Wandelgängen mit Marmordächern, von Straßen, die mit Glitzersteinen gepflastert waren, und in einiger Entfernung von den Palasttoren sollte sich ein großer bunter, lärmender Marktplatz befinden, ein Schauplatz prallen Lebens. Jedenfalls hatte Andovan ihr seine Heimat so geschildert.
    Nichts von alledem war mehr vorhanden.
    Vor ihnen erstreckte sich eine Wüste.
    Andovan erbleichte vor Schreck und betrachtete die Szene verständnislos mit weit aufgerissenen Augen. Sogar Colivar schien zunächst überrascht, aber als Magister gelang es ihm rasch, seine Gefühle zu verbergen. Kamala fragte sich kurz, ob er dabei an sie dachte. Vielleicht sah er in ihr eine mögliche Rivalin, die seine Schwäche ausnützen könnte. Der Gedanke erregte sie, obwohl sie vollauf damit beschäftigt war, den Anblick zu verarbeiten, der sich ihnen bot.
    Erst wenn du von deinesgleichen gefürchtet wirst, bist du wirklich ein Magister , hatte ihr Aethanus einst erklärt.
    Vor schroffen Bergen ragte Dantons Palast grau und abweisend in den Himmel. Die Fahnen an der Außenmauer, von denen man ihr erzählt hatte, waren nicht zu sehen, nur das Haupttor wurde von zwei roten Flaggen mit doppelköpfigem Habicht flankiert. So ohne jeden Zierrat wirkte das kalte Steinschloss eher wie eine Festung, die sich auf eine Belagerung einrichtete, denn wie ein Palast, in dem ausländische Staatsgäste festlich empfangen wurden. Sogar die wenigen Fenster waren klein und schmal, kaum so breit, dass ein Bogenschütze einen Feind ins Visier nehmen konnte. Das Gebäude diente wieder dem Zweck, zu dem es einst erbaut worden war. Sein Besitzer rüstete zum Krieg.
    Der Palast mochte in seiner Kahlheit bemerkenswert sein, doch was ringsum war, drängte ihn in den Hintergrund. Im Westen, wo nach Andovans Erzählungen einst ein großer Wald gestanden hatte, sah man nur noch freies Land. Die Bäume vor den Palastmauern waren gefällt und die Parkanlagen niedergebrannt worden, sodass die Gebäude von einem schwarzen Ring der Verwüstung umgeben waren. Der Zaun, der einst das Schlossgelände von seiner Umgebung abgegrenzt hatte, wirkte seltsam isoliert, gefangen zwischen Leere und noch mehr Leere, und hatte seinen Zweck ganz und gar verloren.
    Colivar hatte gesagt, sie würden unweit eines Marktplatzes herauskommen, nahe genug, um sich bei irgendwelchen Schwierigkeiten unter die Menge mischen zu können. Doch wenn es hier überhaupt jemals einen Marktplatz gegeben hatte, war jetzt nichts mehr davon zu sehen. Alle Spuren von Handel

Weitere Kostenlose Bücher