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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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und Gewerbe waren getilgt, nur die trockene harte Erde legte noch Zeugnis davon ab, dass die Menschen einst zu Tausenden über diesen Platz gelaufen sein mussten. Wenn Kamala ihre Magie hätte einsetzen wollen, so hätte sie das Echo längst verschwundener Händler hören können, das Schwatzen von Dienstboten, die Einkäufe für den Haushalt ihrer Herren tätigten, das Getuschel in dunklen Ecken. Aber da sie auf jeden Zauber verzichtete, blieb die Erde stumm.
    Es kam ihr nicht darauf an, ob Andovan lebte oder starb, beteuerte sie sich selbst. Es wäre nur einfach nicht der richtige Moment, um in die Translatio zu fallen.
    »Warum?«, flüsterte Andovan heiser.
    »Danton markiert sein Revier wie ein wildes Tier.« Colivars schwarze Augen glitzerten. »Wie könnte er das wirkungsvoller tun?«
    Andovan wandte sich zu ihm um; die Wut in seinen Augen machte deutlich, dass der Magister soeben einen Schritt zu weit gegangen war. »Wollt Ihr damit sagen, mein Vater sei ein wildes Tier?«
    »Vielleicht nicht er. Es könnte auch jemand anderer sein.« Er deutete auf die misshandelte Landschaft. »Habt Ihr denn eine bessere Erklärung, Hoheit? Was sonst könnte einen Mann bewegen, sich in dieser Weise an seinem eigenen Land zu vergehen?«
    Kamala sah ihn scharf an. Er wusste mehr, als er sagte, so viel spürte sie.
    Andovan holte tief Atem und blickte hinaus über das geschundene Land. »Der Wunsch, sich zu verteidigen«, sagte er ruhig. Doch seine Stimme klang hohl. »Mein Vater sprach oft davon, wie töricht es sei, so dicht am Palast große Wälder zu haben, seine Feinde könnten sie zur Deckung nutzen. Aber meine Mutter bat ihn, sie zu erhalten … sie meinte, kein Krieg könne so tief in das Großkönigreich eindringen, und sie wolle sich lieber mit lebenden Pflanzen umgeben …« Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Deshalb hat er es getan. Alles, was seinen Feinden Schutz bieten könnte, wurde entfernt. Sogar die Menschenmengen, in denen unerwünschte Besucher untertauchen könnten.« Er sah Colivar vielsagend an.
    »Eure Mutter hatte recht«, erklärte der Magister. »Kein Heer könnte so weit vordringen, oder erst nach monatelangen blutigen Feldzügen. Ein Magister hätte mehr als genug Zeit, um den Wald einzuebnen, wenn es tatsächlich nötig würde.« Er schüttelte mit grimmiger Miene den Kopf. »Aber es war nicht nötig. Jedenfalls nicht für menschliche Belange.«
    Der Wind sprang um und fegte nun über die öde Ebene auf sie zu. Die Asche war so frisch, dass die Luft verbrannt roch … und der Wind brachte noch einen anderen Geruch mit.
    »Was ist das?«, fragte Kamala.
    Es war ein eigenartig süßlicher Moschusduft, wie sie ihn noch nie zuvor gerochen hatte. Nicht unangenehm, aber sehr verwirrend. Sie sah, wie Colivar zusammenzuckte, als er ihm in die Nase stieg, und wie in seinen Augen etwas aufflackerte, das ganz nach Angst aussah. Ein ungewohnt nackter Ausdruck, als wäre dem Magister für einen Moment seine ganze Macht und mit ihm sein Selbstvertrauen entrissen worden. Eine Sekunde später war er wieder verschwunden, aber der Eindruck hatte sich in ihr Gehirn eingebrannt.
    »Sie sind hier«, flüsterte Colivar. Andovan schien etwas sagen zu wollen, aber plötzlich überwältigte ihn ein Hustenanfall. Er schüttelte ihn heftiger und heftiger und zwang ihn schließlich auf die Knie. Kamala kniete neben ihm nieder, sie fühlte sich hilflos, denn sie wusste nicht, wie sie ihm beistehen sollte. Wenn sie ihre Macht zu seiner Heilung einsetzte, würde sie alles nur noch schlimmer machen.
    Colivar sah einfach zu, neugierig, aber ungerührt.
    Andovan krümmte sich und erbrach sich auf die festgestampfte Erde, nicht nur einmal, sondern wieder und wieder, bis er nur noch klare Flüssigkeit auswürgte, die einen fremdartigen, üblen Geruch verströmte. »Was ist das?«, keuchte er, als sich der Anfall endlich legte und er wieder atmen konnte.
    »Euer Urfeind«, antwortete Colivar. »Den Sagen und Mythen zufolge liegt der Hass auf ihn allen Protektoren im Blut, und nicht einmal Dantons Saat konnte ihn entscheidend verwässern.«
    »Meine Mutter …« Andovan konnte den Gedanken nicht zu Ende führen.
    Colivar nickte. »Geht zu ihr. Gebt ihr Kraft. Sagt ihr, wenn Dantons Bündnis mit diesen Geschöpfen nicht gelöst wird, sieht das Großkönigreich bald … so aus.« Er wies mit großer Geste auf die Wüstenei, die vor ihnen lag. »Oder schlimmer. Viel schlimmer. Denkt an die Finsteren Zeiten. Sie könnten

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