Die Seelenjägerin
Ecke lauern Feinde, und er kann niemandem trauen. In solchen Zeiten gerät auch der stärkste König in Bedrängnis.«
Und sein Magister belauert ihn wie ein Geier, um auch die kleinste Schwäche auszunützen. »Begreift Ihr jetzt, warum er Euch braucht?«, fragte Colivar leise.
»Und wenn Ihr es tausendmal sagt, es würde mich dennoch den Kopf kosten.«
Colivar seufzte entnervt. »Wo bleibt dann die Hoffnung? Sagt Ihr es mir, Hoheit. Ihr kennt den Mann, und Ihr kennt seinen Hof …«
»… und ich weiß, dass Ihr sein Feind seid, Colivar. Oder hat sich das geändert? Warum sollte ich einen Feind in seine persönlichen Belange einweihen?«
Colivar biss kurz die Zähne zusammen. »Hier geht es um mehr als nur um Morati-Politik«, sagte er endlich.
»Aber Ihr habt nicht Ramirus geschickt, damit er diese Bitte an mich richtet. Einen Magister, dem ich vertraut hätte. Es muss also nicht wahr sein.«
Colivars Miene verfinsterte sich. »Ramirus’ Hass auf Euren Vater übertrifft seine Feindschaft gegen ganz Anchasa. Er wird keinen Finger rühren, um ihm zu helfen.«
»Sehr kurzsichtig, findet Ihr nicht? Immer vorausgesetzt, die Gefahr ist tatsächlich so groß, wie Ihr behauptet.«
»In diesem einen Punkt gleichen sich Magister und Menschen, Hoheit. Beide können schlechte Nachrichten verdrängen, die sie nicht hören wollen.« Er hielt inne. »Ramirus hat uns erklärt, es gäbe nur zwei Menschen, die Danton gut genug kennen, um ihn in dieser Frage zu beeinflussen: Eure Mutter und Euch selbst. Beide stammen von Protektoren ab. Ist es nicht die Pflicht Eures Geschlechts, gegen die Seelenfresser zu kämpfen? Wer soll die Aufgabe übernehmen, wenn Ihr Euch weigert?«
In den Augen des Prinzen blitzte es zornig auf, aber er machte seinen Gefühlen nicht Luft. Weil ich recht habe , dachte Colivar , und er es weiß. Endlich sagte Andovan mit einer Stimme so kalt wie Eis: »Könnt Ihr mich in den Palast bringen?«
»In die Nähe. Nicht ins Innere. Kostas hat sicherlich alle Gebäude mit einem dichten Netz von Abwehrzaubern umgeben, die ihn sofort auf jede fremde Magie aufmerksam machen würden. Wenn ich Euch drinnen absetze, kündige ich ihm Eure Ankunft an. Das wäre nicht ratsam.«
»Es muss auch nicht sein. Ich kenne einen Weg ins Innere.«
Colivar nickte. Der Palast war früher eine Burg gewesen, für Kriegszeiten erbaut, und das hieß, dass man sicherlich einen oder mehrere unterirdische Gänge in die nähere Umgebung angelegt hatte, als Fluchtweg für königliche Familie im Fall einer Belagerung. Solche Tunnel wären magisch getarnt, sodass Fremde sie nicht finden könnten, aber Andovan wären sie natürlich bekannt.
»Ich bin bereit«, sagte Andovan. »Ich werde mit meiner Mutter sprechen, werde mir anhören, was sie zu sagen hat, und werde sie zum Eingreifen drängen, wenn die Lage es erfordert. Mehr aber auch nicht, Colivar. Alles andere wäre der sichere Tod, und ich wäre zwar bereit, für eine gerechte Sache zu sterben, aber kopflos ins Verderben zu rennen hat keinen Reiz für mich.«
Colivar hatte unbewusst die Luft angehalten, jetzt atmete er auf. »Ich danke Euch, Hoheit.«
»Sollte ich jemals erfahren, dass Ihr die Situation ausnützt, um mich gegen meinen Vater aufzubringen …« Andovan vollendete den Satz nicht, aber sein Schweigen war beredt genug.
Wenn dem so wäre, du kämest nie dahinter , dachte Colivar gehässig. Ich könnte dein Herz mit einem so starken Zauber umgeben, dass du mich bätest, mir dienen zu dürfen, und dass du deiner eigenen Mutter die Kehle durchschnittest, wenn ich ihr Blut für ein Festmahl verlangte.
»Das Magistergesetz verbietet mir, gegen Danton vorzugehen«, sagte er leise. Das stimmte nicht ganz – das Gesetz verbot nur, den Patron eines Magisters zu töten –, aber das brauchte der Junge nicht zu erfahren. Je weniger die Morati über das geheime Gesetz der Magister wussten, desto besser.
»Dann brechen wir jetzt auf?«
Colivar nickte. »Wenn Ihr bereit seid.«
Andovan warf einen Blick auf den Kutschenschlag und zögerte. Colivar sah ihm an, was er auf dem Herzen hatte.
»Da ist noch jemand. Eine Hexe. Sie hat mir das Leben gerettet. Ich möchte Euch bitten …«
»Sie kann mit uns kommen«, sagte Colivar rasch. »Ich werde auch sie befördern. Wenn sie einverstanden ist.«
Andovan stutzte. »Ich hätte Widerspruch erwartet.«
»Ich habe meine Gründe.«
Sie wird dich nicht so einfach ziehen lassen , dachte Colivar. Was immer sie dazu trieb, ihre
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