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Die Seelenzauberin

Die Seelenzauberin

Titel: Die Seelenzauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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sterblichen Sinne etwas davon mitbekamen?
    An einem anderen Tag, in einem anderen Leben hätte sie die Gardisten gerufen. Aber in dieser Lage wäre das unpassend gewesen. Sie hatte zwei Mal einen Besucher empfangen, der gern die üblichen Formalitäten umging, und falls ihre Unruhe etwas mit ihm zu tun hätte, wollte sie dafür möglichst keine Zeugen.
    Seit dem letzten Besuch war fast ein Monat vergangen. Jeden Abend legte sie sich mit der Frage zu Bett, wann er wohl wiederkäme. Ob er überhaupt wiederkäme. Ob sie dann noch am Leben wäre …
    Geräuschlos trat sie in den Korridor hinaus. Die Zofe hob schlaftrunken den Kopf, bereit, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. »Bleib ruhig liegen«, flüsterte Siderea, »ich brauche dich nicht.« Das Mädchen seufzte und schlief sofort wieder ein. Das Lächeln auf ihrem Gesicht verriet, dass sie einen schönen Traum weiterträumte. Am Eingang zu den Amtsräumen nahmen zwei Gardisten Haltung an, als sie Sidereas leise Schritte auf sich zukommen hörten. »Alles in Ordnung«, erklärte sie. Sie würden erst um ihre Sicherheit fürchten, wenn sie zu erkennen gab, dass dafür irgendein Anlass bestand. Es war Tradition, dass sich stets eine Eskorte zu ihrem Schutz bereithielt, aber wer rechnete schon wirklich damit, dass einer Hexe von ihren Fähigkeiten im eigenen Palast Gefahr drohte? Vor vielen Jahren hatte man sie einmal überfallen, doch sie hatte den Störenfried unschädlich gemacht, bevor ihre Gardisten hatten eingreifen können. Das hatte sich rasch herumgesprochen. Seither hatte niemand mehr gewagt, ihr zu nahe zu treten.
    Natürlich wusste auch niemand, dass die Macht, die sie einst geschützt hatte, nicht mehr vorhanden war.
    Und sie würde sich hüten, einen diesbezüglichen Verdacht zu nähren.
    Leise schritt sie durch die Halle, die Schöße ihres Seidenmantels flatterten hinter ihr her wie ein Paar Flügel. Sie ging einfach, ohne darüber nachzudenken, wohin; ihre Füße schienen zu wissen, was sie zu tun hatten. Endlich kam sie an einen Marmorbogen vor einem Balkon, der auf den Hafen hinausging. Natürlich. Dort hatte sich Amalik zum ersten Mal mit ihr getroffen, dort hatte er ihr den Ring und sein Versprechen gegeben. Jetzt war ihr alles klar.
    Das Herz schlug ihr immer noch bis zum Hals. Sie blieb kurz stehen, um sich zu fassen, bevor sie auf den Balkon hinaustrat.
    Da stand er. In einem Waffenrock und hohen Lederstiefeln im gleichen Mitternachtsblau. Die Farbe ließ seine raue Haut so fahl wie Mondlicht leuchten.
    »Es ist so weit«, sagte er.
    Sie merkte erst, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte, als sie ihn nun plötzlich ausstieß. »Was … nun? Was muss ich tun?«
    »Ihr begleitet mich morgen in die Berge.« Er deutete nach Nordwesten, wo die steilen Flanken der Wächterberge die Stadt Sankara ins Meer zu schieben schienen. »Ihr ganz allein.«
    »Allein?«
    Er verneigte sich. »Das Geheimnis ist nur für Eure Augen bestimmt, meine Königin.«
    »Ich nehme an, wir reisen mit Hexenkraft?«
    »In diesem Fall leider nicht. Ihr werdet den Grund verstehen, wenn wir am Ziel sind …«
    »Heißt das, wir reiten? Wie gewöhnliche Sterbliche? Ist das Euer Plan?«
    Er nickte.
    Sie schaute zu den Bergen hinüber, die schroff aus der fruchtbaren Ebene aufragten, ohne dass der Übergang durch sanftere Vorberge gemildert worden wäre. Außerdem waren sie steil, zu steil für den Feldanbau, und es gab auf viele Meilen keinen brauchbaren Pass; auf den höchsten Gipfeln lag selbst mitten im Sommer noch Schnee.
    In einem solchen Gebirge konnte man auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
    Und man konnte Geheimnisse verbergen, die niemand je zu Gesicht bekäme.
    »Ich kann nicht allein dorthin reiten«, sagte sie.
    Seine Augen wurden schmal; in ihren Tiefen flackerte es zornig auf. »Wollt Ihr mir Bedingungen stellen?«
    »Nein, ich sage nur die schlichte Wahrheit. Wenn Ihr nicht wisst, dass meine Gardisten mir folgen werden, sobald ich den Palast verlasse, dass sie mir heimlich nachspüren werden, wenn ich ihnen die Umkehr befehle – oder dass meine Untertanen misstrauisch werden, wenn ich allein ohne Dienerschaft durch die Stadt reite –, dann habt Ihr keine Ahnung, wie es in königlichen Häusern zugeht. Jemand wie ich ist niemals allein .«
    »Ich kann Euch gegen ihre Blicke abschirmen, sodass niemand Euch sieht. Bis wir die Berge erreichen.«
    »Und werde ich nach dieser … Offenbarung hierher zurückkehren?«
    »Wenn Ihr es so wollt.«
    »Dann kann ich

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