Spiel ohne Regeln (German Edition)
1
Nur eine kleine Verlobungsfeier, hatte die E-Mail behauptet. Eine intime Zusammenkunft für enge Freunde auf dem Landsitz der Brauteltern in Endicott Falls.
Ha! Es flanierten vermutlich um die fünfundvierzig, fünfzig Leute draußen über die Terrasse. Die Party war bereits in vollem Gang, und die Musik plärrte aus der Beschallungsanlage. Hochzeitsatmosphäre pur. Kein Zweifel.
Nick hasste Hochzeiten. Sie machten ihn tierisch nervös. Sogar die ultraglücklichen Feiern, wenn Braut und Bräutigam irrsinnig verliebt waren und Zeichentrickvögel um ihre Köpfe zu schwirren schienen. Die ganz besonders, dachte er und blieb weiter in Deckung hinter dem Kletterrosenspalier. Je höher man flog, desto tiefer musste man fallen. Und Sean McCloud flog heute Abend sehr hoch.
Als Nick Sean und seine Verlobte Liv beobachtete, wie sie lachten, sich küssten, einander kleine Häppchen in die glückselig grinsenden Münder stopften und Champagner schlürften, zog sich sein Magen auf dieselbe Weise zusammen, wie er es tat, wenn er einen Hai-Horrorfilm sah. Glückliche Kinder, die in der Brandung umhertollten, während zeitgleich … dadumm … dadumm … Er hatte nie verstanden, warum Menschen freiwillig solchen Mist guckten. Er selbst tat alles in seiner Macht Stehende, um diese Art von Emotionen zu vermeiden. Davon hatte er schon genug für ein ganzes Leben gefühlt. Mit zusammengebissenen Zähnen hielt er nach Tamara Ausschau. Sie war der einzige Grund, warum er überhaupt zu dieser verdammten Party gekommen war, und der einzige, aus dem er blieb. Eine weitere Gelegenheit, sie wegen Informationen über Vadim Zhoglo zu löchern. Bevor sie ihm die Eier abschnitt, um sich daraus eine Halskette zu machen. Das war ihre Drohung gewesen, als er sie das letzte Mal damit genervt hatte.
Er sann über diese unerfreuliche Aussicht nach, während er beobachtete, wie Davy McCloud, einer der Brüder des Bräutigams, versuchte, seine hochschwangere Frau zu einem Tänzchen zu überreden. Er hatte nicht viel Glück, aber ein leidenschaftlicher Kuss unter jeder Menge Zungeneinsatz schien ihn darüber hinwegzutrösten.
Gottverdammte Angeber, das ganze Pack.
Es gab viele heiße Singlefrauen auf der Party, massenhaft tiefe Ausschnitte und aufreizende Blicke. Einige hatten sich strategisch so positioniert, dass sie sich genau in seiner Einflugschneise befanden. Pech für sie.
Vor Menschengedenken, ehe sein Leben ein einziger Trümmerhaufen gewesen war, hätte er das alles genossen. Damals hatte er ein Händchen für Frauen gehabt, zumindest in der Anfangsphase. Er verfügte über genügend Charme, um sie ins Bett zu kriegen, und über genügend Talent, um dafür zu sorgen, dass sie auf ihre Kosten kamen, wenn sie erst mal darin lagen. Leider hatte er darüber hinaus nicht viel zu bieten, wie die Damen in der Regel schnell feststellten. Nach einer Weile wurde es für beide Seiten ermüdend.
Doch an diesem Abend brachte er nicht die Energie auf, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
Zwei junge Mädchen drängelten sich an ihm vorbei durch die Türöffnung, in der er stand, was ihn aus seiner Tagträumerei riss. Sie hüpften kichernd davon. Niedliche Gören. Etwa im selben Alter wie Sergeis kleine Sveti. So sie denn noch lebte.
Was mit jedem beschissenen Tag unwahrscheinlicher wurde .
»He! Versuch, dir deine Freude nicht ganz so deutlich anmerken zu lassen! Deine Euphorie ist ein bisschen überschwänglich.«
Nick versteifte sich, als er die vertraute Stimme hörte. Er trank einen Schluck von seinem Whiskey, dann drehte er sich zu Connor McCloud um. Er war der andere Bruder des Bräutigams und früher Nicks Kollege bei der Höhle, einer Spezialeinheit des FBI , der sie beide einmal angehört hatten. Der Mann sah für seine Verhältnisse heute geradezu ordentlich aus. Vermutlich hatte man ihn genötigt, sich zur Feier des Tages zu rasieren und die Haare zu schneiden, und trotzdem schaffte er es, zerknittert auszusehen. Und sehr müde.
Der Grund für seine Erschöpfung schlummerte in einer Babytrage an seiner Brust: der vier Monate alte Kevin McCloud. Das Sterne-Mond-und-Teddybär-Motiv der Trage bildete einen ziemlich schrägen Kontrast zu Cons dunklem Maßanzug.
Nick linste stirnrunzelnd zu dem kleinen Wesen mit dem geröteten Gesicht. »Der Knirps hat auf deinen Anzug gereihert«, stellte er angeekelt fest.
Cons Blick wurde zärtlich, als er das Baby betrachtete. »Allerdings«, bestätigte er mit väterlichem Stolz. »Er ist ein
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