Die Seemannsbraut
Aber ich wollte unbedingt ein neues Kommando, weil der Verlust meines ersten so sehr schmerzte.«
Vom Nachbarschiff kletterten noch mehr Leute herüber; Penhaligon, der Segelmeister, und seine Gehilfen traten aus der zerschlagenen Poop. Sie trugen den Chronometer der
Hyperion,
den gleichen, der ihr in all den Jahren gedient hatte. Nur mit halbem Ohr lauschte Bolitho Parris’ Gestammel, er dachte vor allem an dieses Schiff, das er besser gekannt hatte als alle anderen.
Hyperion
hatte drei Admirale getragen, fünfzehn Kommandanten und Tausende von Seeleuten. Abgesehen von ihrer Zeit als Hulk, hatte sie keinen größeren Feldzug ausgelassen. Parris sagte: »Somervell wurde mir sehr lieb und teuer. Ich kämpfte dagegen an, aber es war vergeblich.«
Bolitho sah ihn verständnislos an. Zunächst begriff er nicht, was Parris meinte. »Sie und Somervell – heißt das, Sie beide …« Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, und er war entsetzt über seine bisherige Blindheit. Da war Catherines Abneigung gegen Parris gewesen – nicht etwa, weil er ein heilloser Schürzenjäger war, wie Haven geglaubt hatte, sondern im Gegenteil: wegen seiner Affäre mit ihrem Ehemann. ›Es gab keine Liebe zwischen uns.‹ Er hörte fast noch ihre Worte. Deswegen mußte Parris auch sein erstes Kommando verloren haben, aber dieser Aspekt war von einer höheren Stelle, die keinen Skandal wünschte, unterdrückt worden.
Parris sah ihn traurig an. »Ja, wir beide. Ich wollte es Ihnen beichten, wenigstens Ihnen. Wegen allem, was Sie für mich und für dieses Schiff getan haben. Und weil Sie wegen meiner Torheit soviel zu erdulden hatten.«
Bolitho hätte mit Zorn und Widerwillen reagieren müssen. Aber er gehörte seit seinem zwölften Lebensjahr der Navy an, und was er in dieser Zeit nicht gesehen hatte, das gab es nicht. Daher meinte er nur gelassen: »Gut, nun haben Sie’s mir ja erzählt.« Beruhigend berührte er Parris’ Schulter. »Ich spreche gleich mit dem Chirurgen.«
Das Deck erzitterte abermals. Zerbrochene Blöcke und fortgeworfene Handwaffen rollten klappernd das Seitendeck hinunter. Endlich kam Blachford an Deck, das Gesicht so weiß wie ein Laken. Bolitho konnte sich vorstellen, wie es im Orlop für ihn gewesen sein mußte.
»Können Sie hier an Deck operieren?«
Blachford nickte. »Hiernach kann mich nichts mehr schrecken.« Keen hinkte herbei und meldete:
»Benbow
hat bestätigt, Sir Richard. Konteradmiral Herricks wünscht alles Gute und bietet Ihnen jegliche Hilfe an.«
Bolitho winkte ab. »Nicht nötig, vielen Dank.« Hauptsache, Thomas war am Leben und unverletzt.
Keen sah, daß sich Blachford über seine Tasche beugte. Es hätte jeden von uns erwischen können, dachte er, oder alle zusammen.
Schnell sagte er, damit Parris es noch hörte: »Sechs Spanier haben die Flagge gestrichen, einschließlich der
Intrepido,
die als letzte vor
Tybalt
kapitulierte.«
Es gab einen Knall. Einer der Festmacher brach, mit denen beide Schiffe zusammengelascht waren, und Keen bemerkte besorgt: »Sie zieht schon zu sehr an der
Asturias,
Sir Richard.«
Der sah sich um. »Ich weiß. Wo ist Allday?«
Ein Seemann antwortete im Vorbeigehen: »Unten, Sir Richard.« Bolitho nickte. »Kann mir schon denken, warum.«
Blachford verkündete: »Ich bin soweit.«
In diesem Augenblick knallte es nochmals laut, doch diesmal war es ein Pistolenschuß. Bolitho und die anderen fuhren herum und starrten auf Parris nieder, dessen Arm an Deck fiel. Er hatte die rauchende Pistole noch in der Hand.
Blachford schloß seine Tasche wieder. »Vielleicht war es die bessere Lösung, besser als meine. Für solch einen mutigen jungen Mann wäre das Leben als Krüppel unerträglich gewesen.«
Bolitho nahm den Hut ab und schritt zur Achterdeckstreppe.
»Laßt ihn an Bord. Er ist hier in guter Gesellschaft.«
Rotröcke tummelten sich an Deck. Major Adams, ohne Kopfbedeckung, aber anscheinend unversehrt, bellte seine Befehle. Bolitho sagte: »Die Verwundeten zuerst, Major. Alles hinüber auf den Spanier, danach …« Er sprach nicht weiter.
Statt dessen drehte er sich um und sah die
Benbow,
begleitet von der
Capricious,
auf ihrer freien Seite passieren. Jetzt jubelten sie nicht, denn der Anblick der sterbenden
Hyperion
verschloß ihnen wohl den Mund. War es Einbildung, oder lagen die muskulösen Schultern ihrer Galionsfigur schon tiefer überm Wasser? Bolitho starrte nach vorn, bis sein verletztes Auge pochte.
Er konnte an nichts anderes mehr
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