Die Seemannsbraut
verheirateten Mann liebt.« Sie ließ alle Vorsicht fallen. »Ich sagte dir einmal, daß ich für dich hätte sterben mögen. Jetzt scheinst du zu denken, daß du einfach wieder zurückkommen kannst, nachdem dein Leben offenbar ruiniert ist. Weißt du denn nicht, was du mir damit antust, verdammt noch mal? Ja, ich habe Lacey geheiratet, weil wir einander brauchten, aber aus Gründen, die du nie verstehen wirst. Ich kann kein Kind bekommen, und auch das hast du damals gewußt. Dagegen hat dir deine Frau eine Tochter geschenkt. Also, für wen ist es die Hölle – für wen?«
Sie riß sich los. Ihre Augen blitzten, und unter der Mantilla fielen lockere Haarsträhnen hervor.
»Ich werde dich nie vergessen, Richard, Gott steh mir bei. Aber ich bete darum, daß wir uns nie wieder begegnen, damit wir nicht auch noch jenen Augenblick des Glücks zerstören, der mir so teuer ist.«
Sie drehte sich um und rannte davon. Bolitho betrat das Gebäude und nahm seinen Hut von einem Lakai entgegen. Er sah, daß Parris auf ihn zukam, und wäre stillschweigend vorbeigegangen, hätte der Leutnant nicht gegrüßt und ihn angesprochen. »Wir haben die letzten Schatzkisten verladen, Sir Richard. Noch kann ich kaum glauben, was wir durchgemacht haben, um sie zu kriegen.«
»Ich werde Ihre Leistungen in meinem Bericht an Ihre Lordschaften erwähnen«, entgegnete Bolitho zerstreut. Es hörte sich hohl an, aber seine Gedanken waren anderswo. Er mußte an Murrays Mutter und Dalmains Witwe schreiben und die Formalitäten erledigen, damit das Prisengeld an die Hinterbliebenen aller Gefallenen ausgezahlt wurde. Seine Depesche konnte ihnen dazu verhelfen.
Parris betrachtete ihn irritiert. »Ich sagte das nicht, um gelobt zu werden, Sir Richard. Ist etwas nicht in Ordnung?«
Bolitho schüttelte den Kopf und fühlte noch ihr Handgelenk zwischen seinen Fingern. War er enttäuscht? Aber was, in Teufels Namen, hatte er eigentlich erwartet?
Er ging weiter. Als sein Bootssteurer mit großen Schritten aufkreuzte, mahnte ihn Parris: »Sir Richard wird das Boot haben wollen, Allday.«
Aber der verneinte. »Er wird jetzt ein Stück zu Fuß gehen. Erst wenn er mit sich im reinen ist, wird er nach dem Boot fragen.«
Parris, der die beiden vielleicht zum erstenmal begriff, nickte.
»Ihr seid zu beneiden.«
Allday schlenderte gemächlich zur Balustrade, von der aus er den größten Teil der Reede überblicken konnte. Der Seegang wurde zusehends gröber. Er biß in einen Apfel, den ihm der Koch des Hafenkommodore gegeben hatte. Der hatte einen verdammt guten Job.
Er sah, wie das große Boot von der Anlegebrücke Abstand hielt, um sich nicht die Farbe abzuscheuern; denn der unruhige Wellenschlag überspülte schon die Steinstufen. Just als er glaubte, die Dinge würden sich arrangieren, schien sich für Bolitho alles verschlechtert zu haben. Die verdammten Weiber! Das hatte er auch zu Ozzard gesagt, als sie im Triumph mit dem Schatzschiff zurückgekehrt waren. Der hatte widersprochen, worauf Allday müde und ärgerlich entgegnete: »Was, zum Teufel, weißt du denn schon? Du warst niemals verheiratet!« Das aber hatte den kleinen Mann dermaßen aufgeregt, daß sich Allday genötigt sah, ihm zur Versöhnung eine seiner wertvollen Knochenschnitzereien zu schenken.
Er warf das Apfelgehäuse ins sonnverbrannte Gras und wollte gehen. Da sah er sie auf der Terrasse stehen und ihn mit einem jener Blicke bedenken, die einen Eisblock schmelzen lassen konnten. Während er noch gaffte, kam sie näher und fragte: »Erinnerst du dich nicht an mich? Du bist doch Allday.«
Allday erwiderte vorsichtig: »Natürlich erinnere ich mich an Sie, Madam. Keiner könnte vergessen, was Sie damals für den Admiral getan haben.«
Sie überhörte das Unausgesprochene in seinen Worten. »Ich brauche deine Hilfe. Willst du mir vertrauen?«
Allday fühlte sein Widerstreben schwinden. Sie bat ihn, ihr zu vertrauen! Ihr, der Frau des mächtigen Generalinspekteurs, eines Mannes, vor dem man sich sehr in acht nehmen mußte, wenn auch nur die Hälfte von dem stimmte, was man sich über ihn erzählte. Aber sie hatte den ersten Schritt getan. Sie war es, die das Risiko einging.
Er lächelte schwach. Eine richtige Seemannsbraut. »Ich vertraue Ihnen.«
Sie kam näher, und Allday bemerkte das hastige Atmen ihrer Brust unter dem feinen Stoff. Sie ist keineswegs so kühl und gelassen, wie sie scheinen möchte, dachte er.
»Vizeadmiral Bolitho ist nicht er selbst …« Sie zögerte;
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