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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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vielleicht war sie schon zu weit gegangen? Alldays Lächeln war wie weggewischt, in den Augen des großen Mannes stand plötzlich Feindschaft.
    »Ich – ich möchte ihm helfen, weißt du …« Ihre Lippen zuckten. »Um Gottes willen, Allday, muß ich erst bitten? Was fehlt ihm?«
    »Tut mir leid, Madam, wir haben neuerdings eine Menge Feinde, daher …« Allday gewann seine Sicherheit zurück. Was konnte ihm schon passieren? Also sagte er nach kurzem Überlegen: »Er wäre beinahe erblindet.« Trotz des heißen Windes wurde ihm eiskalt, aber nun konnte er nicht mehr zurück. Er schloß: »Er fürchtet, daß er die Sehkraft seines linken Auges verliert.«
    Sie starrte Allday an und sah das schlimme Bild wieder vor sich: Er hatte in die Sonne geblickt, als sie hinzukam. Dabei hatte er so niedergeschlagen, so verloren ausgesehen, daß sie ihn gern in ihre Arme genommen hätte, ungeachtet ihrer Sicherheit, ja ihres Lebens, wenn sie ihn nur wenige Augenblicke hätte trösten können. Sie rief sich seine Stimme ins Gedächtnis zurück, die Art, wie er sie angeschaut hatte, ohne sie zu erkennen, und flüsterte: »O mein Gott!«
    Allday fuhr fort: »Vergessen Sie nicht, Madam, ich habe Ihnen nichts erzählt. So wie die Dinge liegen, stecke ich bei ihm oft genug bis zum Hals in heißem Wasser, ohne daß Sie es noch anzuheizen brauchen.« Er hielt inne, von ihrem Schmerz gerührt, der sie alle Haltung verlieren ließ. »Aber wenn ich helfen kann …« Er brach ab und berührte ehrerbietig seinen Hut. Dabei wisperte er heiser: »Ihr Mann kommt über die Kimm, Madam, ich muß gehen!«
    Dann verschwand er mit großen Schritten, eine kernige Gestalt in flatternder blauer Jacke und Nankinghose, narbenbedeckt und so schwer blessiert, daß man es seinem schlichten Gesicht ansah. Aber trotz allem so sanft und liebevoll, daß sie um ihn, um alle seinesgleichen, hätte weinen können.
    Ihr Mann wollte nicht zu ihr, sie sah ihn mit dem Leutnant namens Parris über die Terrasse gehen. Als sie zum Hafen hinunterschaute, war es Allday, der sich nach ihr umdrehte und seinen Hut lüftete: nur eine kleine Geste, und doch zeigte sie ihr, daß er sie als Verbündete akzeptierte.
    Die Hängelampen in der großen Kajüte der
Hyperion
beschrieben wilde Spiralen und warfen irre Schatten auf den karierten Bodenbelag und die festgezurrten Neunpfünder zu beiden Seiten.
    Bolitho nippte an einem Glas Weißwein und wartete, während Yovell ein weiteres Schreiben beendete und es ihm über den Tisch zur Unterschrift hinschob. Wie Schauspieler auf einer Bühne, dachte er, als Ozzard geschäftig die Gläser nachfüllte und Allday, der keinen Text zu sprechen hatte, wie ein Statist kam und ging.
    Kapitän Haven stand bei den halb abgeblendeten Heckfenstern. Man hatte sie vorsorglich geschützt, weil der in der Dunkelheit noch bedrohlicher wirkende Wind Gischt über die ankernden Schiffe wehte. Bolitho fühlte, wie das ganze Schiff erzitterte, wenn es ins Ankertau einruckte.
    Haven beendete seinen Bericht mit den Worten: »Das ist alles, was ich zu bemerken habe. Der Zahlmeister ist mit der Versorgung zufrieden, und mit einer Ausnahme sind alle Arbeitsgruppen von Land abgezogen worden.« Er sprach so überlegt wie ein Schüler, der vor seinem Lehrer eine schwierige Lektion wiederholt. »Es ist mir auch gelungen, die drei Boote zu ersetzen, allerdings muß noch einiges an ihnen getan werden.«
    Ein versteckter Hinweis, daß es sein Admiral gewesen war, der sie verloren hatte. Aber Haven hütete sich, seine wahren Gefühle zu offenbaren.
    »Wer führt die letzte Arbeitsgruppe an?«
    Haven überflog eine Liste. »Der Erste Leutnant, Sir Richard.« Nach ihrem kürzlichen Zusammenstoß nannte er ihn immer bei seinem Titel. Bolitho schwenkte den Wein im Glas. Gut denn, wenn er es so haben wollte? Haven war ein Narr, er hätte wissen sollen, daß sein Admiral wie jeder andere Flaggoffizier seine Karriere fördern oder zerstören konnte. Oder war das seine Art, Bolithos Sinn für Fairneß auszunutzen?
    Yovell schaute über seine Stahlbrille. »Bitte um Verzeihung, Sir Richard, aber soll die Order an die
Obdurate
in diesem Wortlaut abgehen?«
    Bolitho lächelte schwach. »Sie soll.« Er brauchte ihn nicht daran zu erinnern. Der Text lautete kurz und bündig: »Es wird Ihnen dringend befohlen, sofort auslaufbereit zu sein!«
    Kapitän Robert Thynne, der Kommandant ihres einzigen Vierundsiebzigers, mochte denken, was er wollte. Aber die
Obdurate
wurde jetzt mehr denn je

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