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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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noch einmal an, aber seine Augen glichen nur noch flimmernden Schlitzen. »Ich – ich …« Das Bewußtsein verließ ihn langsam. »Meine Mutter – sonst niemand …« Seine Stimme wurde nahezu unverständlich.
    Wie eine verlöschende Kerze, dachte Bolitho. Jenour schluckte schwer, als müsse er sich übergeben. Draußen vor der Tür regte sich Allday. Mit bemerkenswert klarer Stimme meldete sich Murray noch einmal. »Jetzt ist es dunkel, Sir. Da kann ich schlafen.« Seine Faust verkrampfte sich zwischen Bolithos Händen. »Danke für …« Und dann verstummte er endgültig.
    Bolitho erhob sich langsam. »Ja, schlaf jetzt, mein Junge.« Er zog das Laken über das Gesicht des Toten und starrte so lange in das Sonnenlicht, bis es ihn blendete. Dunkel für immer … Er ging zur Terrassentür. Jenour wollte etwas Tröstliches sagen, doch Bolitho drehte sich nicht um. »Laßt mich allein, bitte!«
    Die steinerne Balustrade, auf die er beide Hände stützte, war heiß wie die Sonne auf seinem Gesicht. Er hob den Kopf und starrte erneut in die blendende Helligkeit. Er sah sich wieder als kleinen Jungen vor dem in Stein gemeißelten Familienwappen über dem großen Kamin in Falmouth stehen. Dann war sein Vater hinzugekommen und hatte ihn auf den Arm genommen. Die Worte unter dem Wappen, die er ihm vorlas, hatten sich ihm für immer eingeprägt: pro libertate patria – für die Freiheit des Vaterlandes. Dafür waren junge Männer wie Murray, Dunstan und Jenour bereit zu sterben. Dabei hatten sie noch nicht einmal richtig zu leben begonnen.
    Er ballte die Fäuste, bis sie schmerzten. Als er zu seiner Linken Schritte hörte, drehte er sich rasch um. Er hatte so lange in die Sonne geblickt, daß er nur einen undeutlichen Schatten zu erkennen vermochte. »Wer ist da? Was wünschen Sie?« fragte er scharf und ärgerlich ob seiner Hilflosigkeit.
    Die Frau sagte: »Ich wollte zu dir.« Sie blieb auf der obersten Stufe der großen Steintreppe ganz still stehen. »Ich hörte von meinem Mann, was geschah.« Nach einer Pause, die Bolitho endlos vorkam, setzte sie hinzu: »Geht es dir gut?«
    Er blickte zu Boden und sah die Fliesen Kontur gewinnen. Der Schmerz und der Schleier in seinem Auge ließen langsam nach.
    »Ja. Einer meiner Offiziere ist gestorben«, sagte er heiser.
    Sie hielt sich noch immer von ihm fern, als ob sie ihn fürchte.
    »Ich weiß. Es tut mir ja so leid.«
    Bolitho sah sich um wie nach einem Fluchtweg. Dann aber ging es mit ihm durch. »Wie konntest du ausgerechnet diesen Mann heiraten! Ich habe schon manchen gefühllosen Bastard in meinem Leben gesehen, aber …« Er rang um Fassung. Sie hatte wieder seinen wunden Punkt getroffen. Gleichsam nackt und bloß, konnte er sich weder verteidigen noch erklären.
    Sie antwortete nicht direkt. »Hat er auch nach dem zweiten Schatzschiff gefragt?«
    Bolitho fühlte, daß ihn der Kampfgeist verließ. Auch er hatte beinahe erwartet, daß Somervell ihn danach fragen würde. Zum Glück für sie beide hatte er sich aber zurückgehalten. So erwiderte er nur: »Entschuldige, das war unverzeihlich. Ich habe kein Recht, in dieser Sache deine oder seine Motive zu erforschen.«
    Sie betrachtete ihn nachdenklich, während sie mit einer Hand die Spitzenmantilla auf ihrem dunklen Haar festhielt, als ein heißer Windstoß über die Terrasse fegte. Dann trat sie näher und sah ihm ins Gesicht. »Du siehst erschöpft aus, Richard.«
    Endlich wagte er, sie anzusehen. Sie trug ein seegrünes Kleid, aber sein Herz sank, als er ihre feingeschnittenen Gesichtszüge und ihre erregenden Augen nur verschwommen erkannte. Er mußte verrückt gewesen sein, so lange in die grelle Sonne zu starren. Der Londoner Arzt hatte ihn gewarnt, es war das Schlimmste, was er tun konnte.
    Er erwiderte: »Ich habe sehr viel an dich gedacht. Mehr als ich durfte, weniger als du verdienst.«
    Sie spannte ihren Fächer auf und bewegte ihn im Wind wie den Flügel eines Vogels. »Ich reise bald ab. Vielleicht hätten wir uns besser nicht wiedergesehen. Wir müssen beide versuchen …«
    Er griff nach ihrem Handgelenk, ungeachtet eines möglichen Zuschauers, aus Angst, auch sie noch zu verlieren, nachdem er schon so vieles verloren hatte.
    »Ich kann nicht! Es ist die Hölle, die Frau eines anderen zu lieben. Aber bei Gott, so steht es um mich!«
    Sie zog sich nicht zurück, versteifte nur ihr Handgelenk in seinem Griff.
    »Du
sprichst von Hölle? Du weißt ja nicht, was das heißt! Das weiß nur eine Frau, die einen

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