Die Segel von Tau-Ceti
über mich herzieht.«
»Ich weiß. Aber wer rumpöbelt, ist noch lange nicht im Recht, musst du wissen.«
»Aber ich habe es doch für sie getan, verdammt noch mal!« Die Seelenqual stahl sich wieder in Torys Stimme.
»Dankbarkeit gehört leider nicht zu den Stärken unserer Spezies. Es wird noch lange dauern, bis die Menschen begreifen, was du durchgemacht hast.«
»Glaubst du, ob sie mir jemals verzeihen werden?«
Kit zuckte die Achseln. »Manche ja, manche nein. Das ist der Preis, den man manchmal zahlen muss. Überhaupt ist es unerheblich, ob die Öffentlichkeit deine Motive versteht oder nicht. Du weißt, weshalb du es getan hast; und es kommt nur darauf an, dass du damit leben kannst.«
Tory atmete tief ein und wieder aus. Das hatte sie eigentlich nicht hören wollen, aber es stimmte wahrscheinlich trotzdem. Was auch immer die anderen sagten, maßgeblich war nur ihre eigene Meinung. Die anderen waren schließlich nicht dabei gewesen. Aber sie. Sie allein war mit der schrecklichen Erkenntnis konfrontiert worden; sie allein hatte die Entscheidung getroffen, die Phelaner bei ihrem Täuschungsmanöver zu unterstützen; und als die Zeit dann kam, hatte sie allein entschieden, dass das Geheimnis offenbart werden müsse. Nur die Zukunft würde darüber richten, ob sie das Richtige getan hatte. Inzwischen würde sie versuchen, die Kommentare der Kleingeister einfach zu ignorieren. Das zeugte zwar von Sportsgeist, sagte sie sich, aber wie lange würde sie das durchhalten? Das müsste sich auch erst noch herausstellen.
Hinter ihr glitten die breiten Türen des Wohnbereichs lautlos in den Führungen zurück, und eine Gruppe Menschen und Phelaner betrat den Dachgarten. Tory und Kit drehten sich bei der plötzlichen Unruhe um und sahen Boerk Hoffenzoller und Faslorn nebeneinander auf sie zukommen.
»Geschafft!«, sagte der Erste Rat mit dröhnender Stimme. Er wirkte derangiert und wurde von einem Zweitagebart geziert. Faslorn schien auch am Ende seiner Kräfte zu sein. Sein viergliedriger Gang war nicht mehr so geschmeidig wie sonst, und sein eigentlich glatter Pelz war struppig. »Wir haben den Vertrag vor zehn Minuten per Handschlag besiegelt, und Faslorn hat die Nachricht für die Dritte Flotte aufgezeichnet. Sie wird innerhalb der nächsten Stunde übermittelt.«
»Gerade noch rechtzeitig«, sagte Kit und zeigte gen Himmel.
Direkt über ihnen stand eine Scheibe von der doppelten Größe des Vollmonds, aber ohne die Unterscheidungsmerkmale von Luna. Die Scheibe glühte sanft im Widerschein des Sonnenlichts. Als Tory nach draußen gegangen war, hatte die Erscheinung noch auf halber Höhe am östlichen Himmel gestanden. Nun näherte sie sich dem Zenit.
Die Gruppe aus Menschen und Außerirdischen legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben. Als das erste goldene Licht das Dach anstrahlte, änderte der seltsame Mond dort oben seine Form. Die Far Horizons hatte ihre Geschwindigkeiten angeglichen und das Lichtsegel abgeworfen, da sie nun keine Verwendung mehr dafür hatte. Wo das Segel nicht mehr mit dem schweren Schiff verbunden war, wurde es durch den Lichtdruck zerknittert und in den offenen Raum zurückgetrieben. In den kommenden Monaten würde das lose Segel auf die Fluchtgeschwindigkeit des Sonnensystems beschleunigen und in den interstellaren Leerraum zurückkehren, aus dem es gekommen war. Die Beobachter hofften, dass es das erste von vielen war.
Menschen und Phelaner staunten einträchtig und mit offenem Mund, wie das Segel von Minute zu Minute merklich kleiner wurde. Niemand sagte etwas, um den Zauber des Moments nicht zu zerstören. Als die Sonne schließlich ganz aus dem Meer emporgestiegen war, den Himmel blau färbte und das Bild des Segels fast ausblendete, räusperte Boerk Hoffenzoller sich. »Also, alle zurück an die Arbeit. Wir müssen eine Zukunft planen!«
Tory trottete hinter der Gruppe aus Diplomaten, Wissenschaftlern und den vier Außerirdischen her. Sie wurde sich der Symbolträchtigkeit der Gruppierung bewusst. Nie wieder wären Menschen und Phelaner allein im Weltall. Wohin auch immer sie gingen, sie würden zusammen gehen. Und der Startschuss für den Eintritt in dieses neue Zeitalter war gefallen, als die Far Horizons ihr Segel abgestreift hatte. Mit harter Arbeit und gutem Willen - und einem Quäntchen Glück — würden beide Arten in einem Ausmaß von dieser Zusammenarbeit profitieren, wie sie es sich niemals hätten träumen lassen.
Die anderen drei Flotten der Phelaner
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