Die Seherin der Kelten
Briga gerade dann kommt, wenn man es am wenigsten erwartet.«
»Für mich jedenfalls gilt das nicht mehr.« Er lächelte, und noch lange, nachdem seine Gedanken schon längst wieder weitergeschweift waren, blieb dieses Lächeln auf seinen Lippen haften. Nach einer Weile fuhr er fort: »Efnís hatte seine Worte für Airmid bestimmt, die Träumerin von Nemain, aber in den Geschichten hat es doch schon immer geheißen, dass Airmid die eine Hälfte deiner Seele besitze und Caradoc die andere. Also, wenn das stimmt, dürfte es aus der Sichtweise der Götter doch im Grunde das Gleiche sein, als ob ich jetzt zu Airmid spräche. Demnach müsste ich gefahrlos mit dir reden können. Ich bin bereit, es zu versuchen, aber mein Tod steht ja ohnehin kurz bevor. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Dir aber könnten noch viele weitere Winter beschieden sein, in denen du allein auf die Jagd nach den Römern gehst. Willst du das Risiko eingehen, all das zu verlieren, um meine Botschaft zu hören?«
Breaca ballte ihre linke Hand zur Faust, spürte in ihrer Handfläche einen vagen Schmerz, der sie an die einstige Schwertverletzung an dieser Stelle erinnerte. Doch die Narbe schmerzte nicht wirklich, sprach diesmal keinerlei Warnung an sie. Dafür pochte die Speerwunde an ihrem Oberarm Besorgnis erregend. Doch sie hatte auch schon andere Wunden gehabt, die so tief gewesen waren und so stark entzündet wie diese, und trotzdem war sie nicht an ihnen gestorben.
Sie ließ den Blick über das Feuer hinweg schweifen und in die Dunkelheit der Höhle hinein, aber auch dort fand sie keinerlei Orientierungshilfe; die Träumerin der Ahnen war ungewöhnlich schweigsam. Wie bei allen wirklich wichtigen Entscheidungen in ihrem Leben war Breaca ganz auf sich gestellt. Doch darin lag auch eine gewisse Freiheit.
Und sie sagte: »So viel Spaß macht es mir nun auch wieder nicht, Römer zu töten, dass ich mir dafür eine Nachricht von Efnís entgehen lassen würde, die zudem bereits drei Krieger das Leben gekostet hat. Ja, ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen.«
II
»Deine Schwester ist tot.«
»Ich habe keine Schwester.«
Die Luft in der Schmiede war erfüllt vom Rauch des glühenden Metalls, und laut hallten die rhythmischen Hammerschläge auf das Eisen. Die durch das Rauchabzugsloch hereinströmende Sonne warf einen kleinen See aus Licht auf den Boden, der jedoch weder das frisch geschürte Feuer noch den Amboss erreichte - und das wurde in der Schmiede auch keinesfalls bedauert. Der in Hibernia lebende Schmied mochte die rötlichen Schatten seiner Arbeitswelt und hatte keinerlei Verlangen danach, in das alles enthüllende Tageslicht zu treten, besonders nicht in Gegenwart seines derzeitigen Gastes.
Er ließ seinen Hammer auf das etwa armlange Stück Metall niedersausen, das sich schon bald zu einer Schwertklinge formen sollte, und genoss die Wellen der durch seinen Körper wogenden Erschütterungen. Er konzentrierte sich ganz auf seine Arbeit und kümmerte sich nicht um den Besucher, der auf seiner Türschwelle stand. Ganz offensichtlich wollte er ihn nicht hereinbitten.
Luain mac Calma, der ursprünglich aus Hibernia stammte und nun Mitglied des Ältestenrats und Erster Träumer von Mona war, war es nicht gewohnt, dass man ihn einfach ignorierte. Es war nur sehr selten vorgekommen, dass ihm der Eintritt in die Behausung eines anderen verwehrt worden war, und erst recht nicht dann, wenn er zuvor eine zehn Tage währende Reise unternommen hatte, um eine Nachricht von großer Tragweite zu überbringen.
Und er brauchte auch kein Licht, um den Körper und die Seele jenes Mannes zu erkennen, den er nun besuchte; ein Träumer verbringt den Großteil seines Lebens im Dämmerlicht. Dort, auf der Türschwelle, musterte Luain mac Calma das glatte blauschwarze Haar des Schmieds, das früher gemäß den Vorschriften der Legionen ganz kurz gehalten worden war, inzwischen aber bereits wieder Schulterlänge erreicht hatte. Er betrachtete die Linien des schlanken Körpers: Einst kampfgestählt und von muskulöser Geschmeidigkeit, war er durch die harte Arbeit in der Schmiede fast noch in seinem alten Trainingszustand erhalten. Und er ließ den Blick über die fein ausgebildeten Wangenknochen und die hohe Stirn jenes Mannes schweifen, den die Götter so weit fort von seinem eigentlichen Lebensweg geschleudert hatten und der noch immer nicht wieder gänzlich zu seinem alten Pfad zurückgefunden hatte. Er erkannte Zorn und einen störrischen Stolz in
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