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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Soldaten, die ein ähnliches Leben führten und sich ähnliche Freiheiten erhofften. Außerdem hatten die Eingeborenen stetig den zu Ehren des Göttlichen Claudius errichteten Tempel vor Augen, ein Bollwerk, so scheint es, der immerwährenden Tyrannei.
     
    Die Trinovanter in Camulodunum wurden also genauso behandelt, wie überhaupt alle Eingeborenen von den Besatzungsmächten behandelt wurden: voller Geringschätzung und unter nur geringer Beachtung der Gesetze. Zudem erfahren wir von Suetonius aus seinem Werk Das Leben der Cäsaren , dass Nero - ein lasterhafter Verschwender selbst nach kaiserlich-römischen Maßstäben - durchaus bereits darüber nachgedacht haben soll, seine Truppen aus Britannien wieder abzuziehen. Das allein dürfte zwar noch kein allzu großes Entsetzen ausgelöst haben, würde uns nicht Dio Cassius zudem verraten, dass der kaiserliche Ratgeber Seneca
     
    ...in der Hoffnung, einen guten Zinsertrag zu erzielen, den Inselbewohnern 40 000 Sesterzen geliehen hatte, obwohl diese die gar nicht haben wollten, und sein Darlehen dann später auch noch komplett auf einmal samt Zinsen wieder zurückforderte und dabei auf strenge Maßnahmen zurückgriff, um seine Forderungen durchzusetzen.
     
    Die Stämme des Ostens standen demnach also unter einem enormen sozialen und politischen Druck. Man kann sich unschwer vorstellen, wie jede neue Demütigung sie nur noch näher an den Rand eines Krieges trieb und dass die Eceni ein äußerst günstig gelegenes Gebiet bewohnten, um schließlich jenen Aufstand zu entfesseln. Sie hatten bereits an der verhältnismäßig erfolgreichen Rebellion im Jahre 47 nach Christi Geburt teilgenommen und standen zudem nicht unmittelbar unter der Fuchtel der Veteranen von Camulodunum, so wie es ihren Nachbarn, den Trinovantern, erging. Dennoch war der König der Eceni, Prasutagos, bloß ein Vasallenkönig, eingesetzt von Claudius, und wurde wahrscheinlich als treuer römischer Untertan betrachtet, dem kaum ein Aufbegehren zuzutrauen wäre.
    Wir wissen von Prasutagos nur wenig mehr, als dass er »Berühmtheit wegen seines beständigen Wohlstands« erlangte und starb, nachdem er eines der unglückseligsten Testamente der gesamten Geschichte verfasst hatte, in dem er nämlich neben dem Kaiser als Miterben seine beiden Töchter einsetzte.
    Man kann sich kaum vorstellen, warum er dies wohl getan haben könnte. Die Möglichkeiten reichen von der Vermutung, dass er eine Urkunde unterzeichnet haben soll, die er nicht lesen konnte, bis zu der Annahme, dass er ein Dokument unterschrieb, bei dessen Abfassung er nur wenig Mitspracherechte hatte; also ganz nach der Art von »unterzeichne dies, und wir wollen uns unter Umständen daran halten; oder unterzeichne es nicht, dann werden wir später ohnehin alles an uns nehmen«.
    Die Frage, inwieweit Frauen damals bereits erbberechtigt waren, ist an dieser Stelle ungeklärt. Cicero berichtet, dass die »Lex Vocania« es generell jedem »der in ihr Aufgeführten« verbot, als seinen Erben eine Frau einzusetzen. Diese Vorgabe wurde dann von Augustus modifiziert, der bestimmte, dass fortan auch Frauen erben dürften, sofern sie römische Staatsbürgerinnen wären und mindestens drei Kinder geboren hätten; oder frei geborene Latinerinnen wären und vier Kindern das Leben geschenkt hätten; oder aber zwar keine Bürgerinnen der Staaten Roms wären, jedoch bereits fünf Kinder hätten. Das bedeutete, dass Mädchen, die zu jung waren, um ein Kind zu empfangen, oder die entweder nicht geheiratet oder einfach keine Nachkommen hatten, nicht erben durften.
    Und das führt uns wiederum zu Prasutagos’ Töchtern, von denen nichts bekannt ist, außer dass sie von den Zenturionen, die ausgeschickt wurden, um Prasutagos’ gesamten Nachlass zu beschlagnahmen, »geschändet« worden seien, während zur gleichen Zeit ihre Mutter, die Bodicea, »gegeißelt« wurde.
    An dieser Stelle ist Tacitus zwar unsere einzige Quelle, aus der aber wiederum fast unwiderlegbar hervorgeht, dass es keine anderen Mädchen als die Töchter des Königs gewesen wären, die vergewaltigt wurden, und keine Geringere als seine Ehefrau, die man auspeitschte. Man fragt sich - zumindest frage ich mich das -, warum eine Gruppe bewaffneter Männer, die schließlich nichts zu verlieren hatten, nicht einfach beschlossen, auch die Ehefrau des Königs zu vergewaltigen, sondern vielmehr trotz ihres Blutrauschs irgendwann innehielten und eine Auspeitschung anberaumten - die wohl kaum das spontanste

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