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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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nicht nötig.«
    »Langeweile«, sagte Schwemmer.
    »Ist das dein Ernst?«
    Schwemmer nickte. »Langeweile und Geltungsbedürfnis.
Dem ist immer alles leichtgefallen. Der hat nie was riskieren müssen. Im Job
war er so weit, wie er kommen konnte. Es hat ihm nicht gereicht. Er wollte
jemand Besonderes sein. Er hat gewusst, was er tut. Für ihn war das ein Abenteuer.«
    »Woher weißt du das?«
    »Man konnte es in seinen Augen lesen«, sagte
Schwemmer. »Man hätte es nur glauben müssen.«

ACHT
    Sie war wieder auf dem Hof, droben in Schlattan.
Sie trat aus der Tür und sah den Adler. Er hockte auf dem Pfosten des Weidezaunes.
Hinter ihm leuchtete der Wetterstein in der Sonne. Genau dort hatte er schon
einmal gesessen. Dort hatte er auf sie gewartet, um sie mitzunehmen, das erste
Mal. Seine gelben Augen starrten sie an. Johanna erwiderte den Blick, und er
rührte sich nicht. Sie näherte sich ihm, so weit, dass sie ihn hätte berühren
können. Er ließ sie nicht aus den Augen. Die kurzen Federn an seinem Hinterkopf
wurden vom Wind gezaust. Unvermittelt wandte er den Blick von ihr.
    Mit einem schrillen Krächzen breitete er die mächtigen
Schwingen aus, flog davon und ließ sie zurück.
    Sie sah ihm lange nach.
    * * *
    Silvie zog den Helm ab und schaltete den knatternden
Zweitakter ihres Rollers aus.
    »Hi.« Sie lächelte ihn an. »Wieder da? Und ganz
ungeschminkt?«
    »Siehst ja.«
    »Schön«, sagte sie, und für Severin klang es, als
meine sie es so.
    »Danke, wollt i noch sagn. Zweng der Sach mit deim
Vater. Auch wenn’s ned klappt hat.«
    »Konnt ja keiner was für.« Sie schloss den Roller ab,
und sie gingen nebeneinander zum Schulhof. »Gott sei Dank hat er ja jetzt eine
neue Sau, die er durchs Dorf treiben kann.«
    PROMI-CHIRURG: HORROR-SELBSTMORD war heute die Schlagzeile gewesen.
    »Sag mal … Hast Lust, im August mit nach Wacken zu
kommen?«
    Severin lachte auf. »Lust? Klar hätt i Lust. Aber I hab
koa Kohle. I brauch an neuen Verstärker.«
    Silvie blieb stehen. Sie nestelte etwas aus ihrer
Umhängetasche und reichte es ihm. Zwei eingeschweißte Backstage-Ausweise.
    WACKEN OPEN-AIR stand darauf.
    Und: PRESS/ACCESS
ALL AREAS.
    »Äh …«, war alles, was Severin dazu einfiel.
    »Er ist ein Arschloch. Aber ein paar Vorteile hat’s
doch, seine Tochter zu sein.«
    »Ja … aber …«, sagte Severin.
    »Bis dahin hab ich auch den Führerschein. Und wenn
nicht, fahren wir mit meinem Roller. Wird bestimmt lustig.«
    »Ja … gwiss.« Severin hatte keine Ahnung, wie er
reagieren sollte, also küsste er sie auf den Mund.
    Sie kamen zu spät zum Unterricht.
    * * *
    Schwemmer hatte sich aufs Büro gefreut. Auf einen ganz
normalen Arbeitstag. Ohne Verfolgungsjagd. Ohne Tote. Ohne BKA .
    Ohne Aufregung.
    Aber als er sein Büro betrat, saß Schafmann da und
wartete schon auf ihn.
    »Ach nein«, sagte Schwemmer weinerlich. »Bitte … Was
ist jetzt schon wieder?«
    Schafmann hob bedauernd die Hände und wies dann auf
eine Akte, die auf Schwemmers Schreibtisch lag. »Ich besorg dir einen Kaffee,
und du liest das.«
    Er ging ins Vorzimmer und ließ Schwemmer allein. Er
schlug die Mappe auf und las.
    03:12 Notruf von öffentlichem Fernsprecher am
Zugspitzbahn-Haltepunkt Grainau. Anrufer anonym, männlich.
    Wortlaut: Kommen Sie zum Friedhof Grainau. Da liegt
einer.
    03:21 Eintreffen der Funkstreife mit den Beamten
Schickl und Auhuber am Friedhof Grainau. Die Beamten finden einen bewusstlosen
Mann. Seine Hände und Füße sind mit Kabelbindern gefesselt. Der Mund ist mit
Paketband verklebt.
    Die Beamten befreien den Mann, der noch vor
Eintreffen des Notarztes aus der Bewusstlosigkeit erwacht. Kommissar Schickl
identifiziert ihn als Kugler, Alois, wohnhaft in Oberau.
    »Ach du Scheiße«, sagte Schwemmer müde.
    Kugler liegt unmittelbar neben dem Grab der Familie
Kunkel. Das Grab ist ausgehoben, ein Spaten, eine Spitzhacke und eine Schaufel
liegen daneben. Der Sarg wurde gewaltsam geöffnet. Neben dem Grab liegt eine
verschlossene Holzkiste. Maße (geschätzt) 30 x 20 x 5
Zentimeter.
    Kugler wurde nach ärztlicher Behandlung
festgenommen.
    Schafmann kam herein und stellte Schwemmer seinen
Kaffeebecher hin.
    Schwemmer nahm einen Schluck und verbrannte sich
prompt die Zunge. Fluchend stellte er den Becher wieder ab.
    »Kochen muss Frau Fuchs ihn schon«, sagte Schafmann.
    Schwemmer winkte ungehalten ab und zeigte auf den
Bericht. »Was ist das schon wieder für eine Scheiße?«, fragte er. »Noch so was
und ich

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