Die Sehnsucht des Piraten: Er ist der Schrecken der Meere - doch gegen sie ist er machtlos (German Edition)
Vermutlich wollten sie irgendwelche schändlichen Pläne diskutieren, die James ausbrütete. Es war Paul gewesen, Honorias jüngerer Bruder und Seelenverwandter, der ihre Aufregung bemerkt und ihr versprochen hatte, James so lange abzulenken, dass sie nach unten schlüpfen und einen Blick auf den berüchtigten Piraten Christopher Raine werfen konnte.
Und da stand Christopher, allein im Wintergarten am äußersten Ende des Hauses. Die Stille im Raum wurde nur durch das leise Murmeln des Springbrunnens unterbrochen. Honoria hatte sich an ihn herangeschlichen und ihn mit ihrer schüchternen, wohlerzogenen Stimme gefragt, ob er vielleicht das Heftchen signieren würde, das sie in ihrer schweißnassen Hand zusammenknüllte.
Er hatte es genommen und mit seinen derben Fingern ihre zarten gestreift, hatte es aufgeklappt und gelesen. Offenbar amüsierte es ihn. In seinen Augenwinkeln bildeten sich kleine Fältchen, als er es überflog. Schließlich las er sogar die erstaunlichsten Einzelheiten mit seinem leicht akzentuierten Englisch vor und brachte sie damit zum Lachen.
Er hatte eingewilligt, das Heft mit dem Federhalter und der Tinte zu signieren, die Honoria umsichtig mitgebracht hatte, und dann hatte er leise einen Kuss dafür verlangt.
Nein, das stimmte nicht. Honorias Erinnerung versuchte dem, was wirklich geschehen war, einen romantischen Zuckerguss zu verpassen.
Er hatte das Heftchen über den Kopf gehalten, albern gegrinst und ihr gesagt, er würde es ihr nur wiedergeben, wenn sie ihn küsste. Seine Anmaßung hatte sie verärgert, was sie ihm auch unmissverständlich mitgeteilt hatte, aber sein Lächeln war einfach zu entwaffnend gewesen. Sie hatte sich auf die Zehenspitzen gestellt, am ganzen Körper zitternd, und die Lippen gespitzt. Dann hatte er sich mit geschlossenen Augen zu ihr hinuntergebeugt und sie geküsst.
Mit einem Schlag war alles Spielerische zwischen ihnen verpufft. Er küsste sie noch einmal und noch einmal und zog sie enger an sich. Das Heft war unbeachtet zu Boden geflattert.
Honorias Herz hatte wie verrückt geschlagen, als sie ihre Arme um seinen Hals gelegt und seinen Kuss leidenschaftlich erwidert hatte.
Sie ließ zu, dass er sie auf die kühlen Fliesen legte, erlaubte ihm, mit den Händen durch ihr Haar zu streichen, und gestattete ihm noch viele, viele andere Dinge.
Sie hatte erwartet, dass er auf ihre Tugend aus wäre, doch darum hatte er sie nicht gebeten. Er berührte sie auf jede erdenkliche Art und Weise, hatte sich jedoch nicht mit ihr vereinigt. Nicht damals.
Anschließend hatte er ihr das Heftchen in die Hand gedrückt, sich von ihr verabschiedet und war hinausgegangen, als kümmerte ihn das alles nicht. Doch an der Tür hatte er noch einmal zu ihr zurückgeblickt. Der Ausdruck in seinen Augen war irgendwie rätselhaft gewesen. Er betrachtete sie, als versuchte er, etwas zu begreifen. Dann hatte er sich umgedreht und war verschwunden.
Sie hatte ihn neun Jahre lang nicht wiedergesehen.
Im Jahr 1809 kaperte Christopher Raine ein Schiff namens Rosa Bonita und erbeutete einen sagenhaften Schatz; angeblich war das Schiff bis zum Rand mit Gold aus Mexiko gefüllt und auf dem Weg zu Napoleon. Die Zeitungen druckten eine reißerische Geschichte nach der anderen über die Kaperung des Schiffes und die damit verbundenen verheerenden Verluste der Franzosen, die Schwierigkeiten hatten, den Krieg zu finanzieren. Die Legende Christopher Raine wuchs.
Damals war James Ardmore bereits zum Piratenjäger geworden. Er hatte sich auf die Jagd nach seinem alten Freund Captain Raine gemacht und ihn schließlich auch zur Strecke gebracht.
Christopher wurde in Ketten gelegt, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Von dem mexikanischen Gold jedoch war keine Unze gefunden worden. Christopher weigerte sich, etwas über seinen Verbleib zu verraten, und James hatte sich, typisch für ihn, nicht dafür interessiert. Sollte die Welt sich über das verschwundene Gold das Maul zerreißen; James wollte nur einen Piraten weniger auf dem Meer wissen.
In der Woche, die Christopher im Gefängnis saß, war ganz Charleston verrückt nach dem Piraten. Die Zeitungen druckten Geschichten über legendäre einstige Freibeuter, in der Nähe der Kais wurde eine Piratenmesse veranstaltet, die Ladys der besseren Gesellschaft richteten Maskenbälle mit dem Thema »Piraten« aus. Bücher über die Herrscher der Sieben Meere wurden ein Kassenschlager, und Kinder bettelten um Krummsäbel, damit sie die
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