Die Sehnsucht des Piraten: Er ist der Schrecken der Meere - doch gegen sie ist er machtlos (German Edition)
Nachbarskinder entern und versenken konnten.
Frauen höchst zweifelhaften Rufs umschwärmten die Festung, in der Christopher gefangen gehalten wurde. Sie flehten darum, ihn sehen zu dürfen, baten um eine Locke seines Haares oder einen Fetzen seiner Kleidung. Ladys in vornehmen Equipagen ließen ihre Kutscher unter einem Vorwand an der Festung vorbeifahren und schickten dann ihre Lakaien vor, damit sie bei dem berüchtigten Piraten um eine Audienz ersuchten. Einige Bedienstete fragten sogar aus eigenem Antrieb nach.
Aber die einzige Lady, die vorgelassen wurde, verhüllt und verschleiert, war Honoria Ardmore. Zu ihrer Überraschung ließ der Schließer sie ein, führte sie zu der schmutzigen Zelle, in der Christopher seine Besucher empfing, und schloss sie mit ihm ein. Sie schlug ihren Schleier und das Tuch zurück und sah ihn wortlos an.
Christopher war kein überheblicher Heißsporn mehr. Ein Stoppelbart bedeckte seine Wangen, und Falten hatten sich in Mund- und Augenwinkel eingegraben. Er trug ein altes Hemd, eine zerschlissene Hose und abgetragene Stiefel, die bereits bessere Tage gesehen hatten. Sein Haar jedoch war immer noch weizenblond, seine Augen von demselben klaren Grau und sein Lächeln ebenso sinnlich wie ehedem.
Eine Zeitlang betrachteten sie sich schweigend. Dann sagte er, er wäre froh über ihr Kommen. Sie berührte seine Wange und bat ihn, sie zu küssen.
Nein, o nein, auch hier verschönte die Erinnerung die Vergangenheit. Honoria hatte wortlos seine Arme gepackt, ihre Finger in seine Haut gegraben, und er hatte sie an sich gezogen und geküsst. Sie erinnerte sich daran, wie sein Bart über ihre Lippen rieb, an seine kräftigen Arme auf ihrem Rücken.
Sie lagen auf dem Boden, bevor sie auch nur zwei Sätze miteinander gewechselt hatten. Sie ließ es zu. Die anständige, süße, sanfte Honoria Ardmore hatte zugelassen, dass Christopher Raine sie auf dem Boden seiner Zelle liebte. Als sie sich daran erinnerte, röteten sich ihre Wangen, und ihr wurde am ganzen Körper heiß. Er hatte sie um Erlaubnis gebeten …
Ach, auch das stimmte nicht. Ihre verräterische Erinnerung versuchte, diese Begegnung zu romantisieren. Doch es war alles andere als romantisch gewesen, sondern heiß, verzweifelt, grob und schmerzhaft. »Ich werde sterben, Honoria«, hatte er heiser gesagt. »Und ich möchte an etwas denken können, wenn sie mich zum Schafott führen.«
Sie hatte sein Gesicht gestreichelt, das so rauh und hart und ganz anders als das der jungen Gentlemen aus Charleston war, die ihr den Hof machten. Sie dachte an die vielen Frauen, die draußen warteten, und die ihm mit Freuden alles geben würden, was er verlangte. »Warum?«, hatte sie hervorgestoßen. »Warum willst du mich?«
»Weil du zu mir gekommen bist«, antwortete er. »Und weil ich dich liebe.«
Natürlich war Letzteres gelogen, das wusste sie genau. So etwas sagte ein Gentleman eben zu einer Lady, um sie zu verführen. Frauen wollten umgarnt werden, nicht einfach nur begehrt, und das nutzten die Männer zu ihrem Vorteil aus.
Sie hatte ruhig erwidert, dass er sie haben könnte, wenn er wollte.
Nein! Honoria zwang sich, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Sie wusste sehr genau, dass sie ihn förmlich angefleht hatte. »Bitte, ja, Christopher!« Sie hatte sich wie eine Hure an ihn geklammert. Er hatte gelacht, sie geküsst und liebkost, bis sie heiß und mehr als bereit für ihn war, und dann war er in sie eingedrungen.
Als sie fertig waren, hatte er ihr einen zärtlichen Kuss gegeben und ihr geholfen, sich anzuziehen. Er hatte seine Wärter um eine letzte Gunst gebeten, und zu ihrer Verblüffung hatten sie sie ihm gewährt.
Am nächsten Tag war er zum Galgen geführt worden. Die Zeitungen druckten einen reißerischen Bericht über diese Exekution, der fast ganz Charleston beigewohnt hatte. Honoria war zu Hause geblieben, hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen und allen erzählt, sie wäre krank. Sie hatte ein schwarzes Band um ihre Schachtel mit Erinnerungsstücken gebunden und sie ganz hinten in ihre Kommode gelegt.
Es war der schlimmste Tag ihres Lebens gewesen. Doch der heutige konnte es mit ihm aufnehmen.
Der Tropfen Tinte fiel von dem Federhalter aufs Papier und breitete sich dort zu einem hässlichen Fleck aus, dem unmittelbar darauf eine durchsichtige Träne folgte.
Honoria riss das Blatt aus dem Buch, knüllte es zusammen und warf es weg. Sie presste die Lippen aufeinander, setzte die Feder an und schrieb. » Habe einer
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