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Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Die Seidenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seidenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre nach Hause gelaufen. Doch der Herr Pfarrer war schließlich der Herr Pfarrer, und man musste ihm mit dem gehörigen Respekt begegnen, auch wenn er noch so übel roch.
    Der Konrad war in furchtbar schlechter Stimmung, gestern Abend, erinnerte der Pfarrer sich. Wütend war er in die Schankstube gestürmt und hatte jedem, der es wissen wollte, und auch allen, die es nicht wissen wollten, erzählt, dass er von einem unredlichen kölnischen Kaufmann übervorteilt worden war. Alles, aber auch wirklich alles hätte er verloren. Arm wie eine Kirchenmaus sei er nun, und wenn er Pech hätte, müsse er sogar in den Schuldturm. Und schuld daran sei nur dieser betrügerische Kerl.
    Der Pfarrer wagte nicht, sich den genauen Wortlaut von Konrads Beschimpfungen in Erinnerung zu rufen, mit denen er den Kaufmann bedacht hatte, denn das hätte sicher Nachteile für sein eigenes Seelenheil. Und man musste jederzeit damit rechnen, dem Schöpfer leibhaftig gegenüberzutreten, wie sich ja wieder einmal gezeigt hatte.
    Wie auch immer, Konrad hatte jedenfalls seinem Ärger gehörig Luft gemacht und keinen Zweifel daran gelassen, dass er den Missetäter, und sei er auch noch so reich und mächtig, vor den Rat der Stadt Köln bringen werde, vor dem dieser sich dann zu rechtfertigen habe.
    Hatte diese Drohung dafür gesorgt, dass der van Bellinghoven nun an die Pforten des Himmelreiches klopfte? Und das, ohne sein Gewissen erleichtert und die heiligen Sakramente erhalten zu haben, der arme Teufel! Der Pfarrer verspürte echtes Mitleid mit der armen Seele des Verstorbenen und machte noch ein Kreuzzeichen für Konrad, deutlich eifriger diesmal. Und gleich ein weiteres hinterher, dafür dass ihm selbst ein solches Schicksal erspart bliebe.
    Das kleine Mädchen vor ihm trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, und ihm fiel ein, dass es ja seiner Pflicht als Hirte seiner Gemeinde oblag, für eine angemessene Totenwache zu sorgen.
    »Was brauchst du?«, fragte er Fygen. Seine Stimme war weitaus freundlicher geworden und ließ deutlich Mitleid erkennen.
    »Bahrtuch, sechs Kerzen, Kirchendiener«, zählte Fygen an den Fingern auf.
    »Schicke ich euch gleich hinüber. Du kannst jetzt gehen. Friede mit dir, meine Tochter«, sagte er und schlug ein letztes Kreuzzeichen, diesmal über Fygens Scheitel.
    Als sie nach Hause zurückkehrte, hatten Dörte und die Spitzmaus Vater bereits gewaschen und ihm seine besten Kleider angezogen: Zweifarbige Beinlinge aus weichem, dehnbarem Stoff, ein Bein rostfarben, das andere dunkelblau, waren an einem zimtgelben Wams mit blauer, kostbarer Zierstepperei befestigt. Die hellgrüne Schecke war leider verdorben und konnte auf die Schnelle nicht gereinigt werden. So fiel die Wahl auf eine hüftlange, stark taillierte taubenblaue Jacke ohne Ärmel, deren Armausschnitte mit feinem Pelz verbrämt waren. Darunter kamen die langen, mit einer Muffe versehenen Ärmel des Wamses gut zur Geltung. Von der fürchterlichen Verletzung, die Vaters Leben ein so jähes Ende bereitet hatte, konnte Fygen zum Glück nichts mehr erkennen. Die Frauen hatten sein Haar gewaschen und über die Wunde gebreitet. Vaters Gesicht hatte sich wächsern gefärbt, und die Augen unter den blassen Wimpern waren geschlossen. Fremd und abweisend sah er aus. Sehr ernst, fand Fygen, und sie weigerte sich, ihren Vater so in Erinnerung zu behalten. Für sie würde er immer der fröhliche, lachende Held ihrer Kindertage bleiben. Angestrengt schaute sie in sein Gesicht und suchte nach seinen vertrauten Zügen. Fast meinte sie in einem Mundwinkel den Ansatz zu seinem Lächeln zu sehen, das sich schnell auf seinem Gesicht ausbreiten konnte. So sehr wünschte sie es sich herbei, doch so lange Fygen auch schaute, Vaters Gesicht blieb ruhig und unbewegt.
    Der Kirchendiener, ein großer, magerer Mann, kam und brachte das schlichte, leinene Bahrtuch. Es war in der Pfarre gegen Gebühr auszuleihen und nach Gebrauch zurückzugeben. Mit dieser Bestimmung versuchte die Kirche, Prunksucht und Hoffahrt ihrer Schäflein in Grenzen zu halten. Denn in der Vergangenheit hatten wohlhabende Bürger übertrieben und mit Perlen und Goldfäden überaus reich bestickte Tücher verwendet. Einer suchte so den anderen an Prunk zu übertreffen, um seinen Reichtum noch im Tode zur Schau zu stellen.
    Dieses Bahrtuch nun war aus gebleichtem und steif gestärktem Leinen und nur am Rande mit Lochstickerei verziert. Dörte und der

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