Die sieben Dämonen: Roman
kommt mit mir«, erwiderte er mit ausdrucksloser Stimme und ohne aufzuschauen.
»Ich kann die andern nicht zurücklassen, Mark!«
Als er die Waffe in seinen Gürtel steckte, sah er ihr direkt ins Gesicht und fragte: »Und was ist mit mir?«
Sie zögerte. »Ich …«
Mark packte Jasmina so fest an den Seiten, daß sie zusammenzuckte. »Jetzt hör mir mal zu! Das einzige, wovor wir uns fürchten müssen, ist unser eigener Wahnsinn, und den können wir nur bekämpfen, indem wir hier wieder für Normalität sorgen! Zuerst mußte ich gegen die Beschränktheit der Fellachen anrennen, und jetzt sind wir schon so weit, daß meine eigenen Leute verrückt spielen! Zum letzten Mal, kommst du mit mir?«
»Nein«, flüsterte sie.
Er ließ sie los, wobei er sie leicht zurückstieß, nahm eine Schachtel Patronen und seine Windjacke und rannte aus dem Zelt.
Draußen blieb er unvermittelt stehen, so daß Jasmina, die ihm nachgelaufen war, gegen ihn prallte.
In der Mitte des Lagers häuften Ron und Halstead kniend Sand auf und klopften ihn fest, wie Kinder, die eine Sandburg am Strand bauen. Hinter ihnen, im Eingang des Speisezelts, stand Alexis, die mit großen, ausdruckslosen Augen vor sich hin starrte. Halstead hielt in einer Hand eine Gabel, auf die ein kleines Säckchen mit harten Bohnen gespießt war. Als er es schüttelte, erzeugte es ein ähnliches Geräusch wie eine Babyrassel.
Ungläubig sahen Mark und Jasmina zu, wie Ron nach der Fertigstellung des »Altars« die Hände zum Himmel erhob und ausrief: »Horus, reinige uns von allem Bösen, Seth, gib uns Kraft; Seth, reinige uns von allem Bösen, Horus, gib uns Kraft!«
»Allmächtiger!« flüsterte Mark.
Rons Stimme tönte wie die eines Propheten, schallte zur Hochebene hinauf und stieg zum Himmel empor. »Wir rufen Euch an, o Kinder des Horus! Wir rufen die vier, die in Meskheti wohnen!« Der blonde, langhaarige Ron Farmer, in Jeans und Greenpeace-T-Shirt, rief: »Höre uns, Mestha! Höre uns, Hapi! Höre uns, Tuamutef! Höre uns, Qebhsen-nuf! Die Diener des Lichts bringen Euch Opfergaben dar!«
Mark beobachtete entsetzt, wie Ron feierlich ein neben seinen Knien liegendes Bündel nahm, es aufband und behutsam gefrorene Lammkeulen auf den Sandhügel legte.
Wieder hob er die Arme. »Ihr sollt zerstückelt werden, und Eure Glieder sollen zerhackt werden, und jeder von Euch soll den anderen vernichten!«
Ein Wind kam auf, der von der Hochebene hinunterfegte und durchs Camp pfiff. Rons platinblondes Haar wehte ihm um den Kopf, als er schrie: »So triumphiert Ra über alle seine Feinde, und so triumphiert auch Heru-Behutet, der große Gott, der Beherrscher des Himmels, über seine Feinde!«
Der Wind blies heftiger und erzeugte einen seltsamen Lärm in den Wadis. Es klang wie Stöhnen und Wehklagen von hundert Stimmen. Sand wurde aufgewirbelt, die Zeltwände flatterten. Halsteads Hemd, das mit Blutflecken übersät war, klebte ihm am Leib. Auf seinen nackten Armen, seinen Beinen bildeten sich purpurfarbene Beulen, die aufplatzten und bluteten. Blut quoll ihm auch aus Mund, Nase und Ohren und sammelte sich in einer Lache im Sand um ihn herum.
»Erhört uns, o Götter des Lichts!«
Das Stöhnen wuchs zu einem Gebrüll an; der Boden erzitterte. Jasmina tastete nach Marks Hand, und er zog sie an sich.
Die beiden Männer in der Mitte des Lagers, in ihrer grotesken Pose und in ihrem mitleiderregenden, feierlichen Ernst, sangen zusammen: »Wir rufen Horus an, den Bezwinger Seths! Wir rufen …«
»Mark!« schrie Jasmina und zeigte auf die Erde. In dem tosenden Wind begann eine Art lange, schwarze Ader den Sand zu zerteilen, eine gewundene Linie, die sich vom Rand des Camps auf die beiden knienden Männer zuschlängelte wie ein Riß in der Erdkruste.
Da bemerkte Mark, daß es sich um eine dicke, glänzende Schlange handelte, die aus der Dunkelheit auftauchte und deren teuflische Augen gefährlich leuchteten, als sie auf den Altar zuglitt.
Rons Blick war auf das Sternbild des Orion geheftet, seine Stimme war wegen des heftigen Windes kaum zu hören. »Wir flehen Euch an, Horus, Isis und Osiris! Ihr seid das Licht und die Wiederauferstehung!«
»Ron!« brüllte Mark, doch seine Stimme drang nicht durch.
Der Wind war jetzt so stark, daß man sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Die riesige Schlange glitt züngelnd auf die beiden nichtsahnenden Männer an dem Sandhaufen zu.
Ein neues Geräusch übertönte sogar den Wind, und Mark beobachtete mit Schrecken, wie
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