Die siebte Gemeinde (German Edition)
lag.
»Ach, den muss der Wind umgeweht haben«, murmelte sie erleichtert und öffnete die Tür.
Ein heftiger Luftzug blies ihr ins Gesicht und drückte den Regen ins Wohnzimmer. Der Sturm stemmte sich gegen ihren schmalen Körper, dass sie sich anstrengen musste, überhaupt ins Freie zu gelangen. Der Wind pfiff ihr um die Ohren, während sie alles an seinen Platz stellte. Gerade als sie die Terrasse verlassen wollte, glaubte sie auf der Straße eine Gestalt huschen zu sehen. Im dichten Regen konnte sie jedoch niemanden ausmachen. Verärgert über ihre übertriebene Paranoia ging sie kopfschüttelnd zurück in ihre Wohnung und ließ mit einem lauten Knall die Tür hinter sich ins Schloss fallen. »Manchmal hasse ich mich dafür, dass ich mir eine Wohnung im Parterre habe aufschwatzen lassen.«
Nach einer Nacht mit zu wenig Schlaf betrat Emma am nächsten Morgen phlegmatisch ihr Büro und nippte an ihrem Kaffee. Ihr Kopf dröhnte. So sehr sie den Rotwein nach Feierabend auch liebte, fast jedes Mal bescherte er ihr einen gewaltigen Brummschädel. Bedächtig sank sie auf ihren Stuhl und schaltete den Computer ein. Ohne aufzustehen, rollte sie mit ihrem Stuhl an die Kiste mit den Seydel-Unterlagen, fischte einen Ordner heraus und schob sich zurück an den Tisch. Beim Blick zurück auf den Bildschirm waren ihre Kopfschmerzen sofort vergessen. Erneut befand sich eine E-Mail ohne Betreff in ihrem Postfach.
Mit einem flauen Gefühl im Magen klickte sie auf die Nachricht: » Emma! Finde das verlorene Buch, von dem man sagt, es sei ein Fluch. Musst Dich beeilen, wirst es bald erkennen, manch einer will es sein Eigen nennen. Bring es zu mir und alles kommt ins Lot, wenn nicht, dann bist auch Du bald tot! Tu dies nicht ab als einerlei, sonst wirst du sein bald Nummer zwei! «
»So, jetzt reicht’s aber«, stöhnte sie. »Dafür steht mir heute nicht der Sinn.«
Sie nahm einen kräftigen Schluck aus der Kaffeetasse und stapfte in das nebenan liegende Büro von Walter Köpges. Emma fand Walter in gewohnter Position hinter seinem Schreibtisch vor. Die halbmondförmige Lesebrille saß kurz vor dem Absturz auf dem untersten Stück seiner Nase, und er stierte angestrengt auf seinen Bildschirm. In genervter Haltung tippte er mit zwei Fingern auf der Tastatur herum. Auch wenn die Chefs es gerne anders gesehen hätten, trug Walter stets ein kariertes Wollhemd sowie eine dunkle Stoffhose. Auf die firmeninterne Kleiderordnung, Anzug mit Schlips, pfiff er. Emma konnte sich Walter auch gar nicht in einem Anzug vorstellen.
»Das würde nicht zu seiner rundlichen Figur passen«, fand sie.
Mit seinem schütteren Haar und dem bauschigen Schnurrbart wirkte er wie ein zutraulicher Teddybär, dem man nicht böse sein konnte. Daher ließen ihn auch alle gewähren, Emma eingeschlossen.
Als Walter Emma bemerkte, lächelte er sie an. »Guten Morgen, junge Frau. Na, wie kann ich dir um diese Zeit schon behilflich sein?«
»Walter, du Aas«, fuhr Emma ihn an. »Ich hatte dir doch verboten, mir irgendwelche Streiche zu spielen. Ist ja schön und gut, wenn du mir Salz in den Kaffee streust oder einen Berliner mit Senf bestellst, doch mich mit dem Tod zu bedrohen, das ist nicht lustig. Vor allem nicht nach der Geschichte mit Patrick. Was, wenn die Chefs herausbekommen, dass du hier private E-Mails versendest?«
Walter legte seine Stirn in Falten. »Wat is? Wie, mit dem Tod bedrohen? Was denn für ’ne E-Mail?«
»Tu nicht so unschuldig. Die Nachricht von gestern Abend und heute Morgen: Finde das verlorene Buch … bist auch du bald tot, … bla, bla, bla! Sag bloß, das bist du nicht gewesen?«
»Nö, tut mir leid, Schätzchen. Mit verlorenen Büchern hab ich nichts am Hut.« Er kramte nervös in seinen Papieren. »Die Inventur dieses verfluchten Abschlusses hier, die fehlt mir, aber sonst nichts.« Dann schaute er sie wieder fragend an. »Ich versteh immer noch nicht, was du überhaupt meinst?«
»Komm mit! Ich zeige es dir.«
Emma drehte sich auf dem Absatz und lief zurück in ihr Büro. Walter erhob sich ächzend und folgte ihr.
Nachdem er die Nachricht gelesen hatte, tippte er grinsend auf den Bildschirm. »Hey, das ist gut. Hätte auch von mir kommen können. Aber diesmal bin ich unschuldig, ehrlich. Ich weiß ja nicht mal, wie man eine E-Mail unter falschem Namen verschickt.« Er deutete auf den Absender. »Was ist das eigentlich für eine Adresse? Kommt die dir bekannt vor?«
Emma hatte bisher noch gar nicht auf den Absender
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