Die siebte Gemeinde (German Edition)
ich, Philipp. Und jetzt verschwindet, bevor ich es mir anders überlege.«
Philipp stutzte. »Dieser Brief hat deine Familie jahrhundertelang begleitet, und jetzt willst du ihn aufgeben?«
Arusch blickte zu Viktorianah, die vor der Hütte mit den Kindern spielte. Noch aus dieser Entfernung konnte er ihre Narbe am Hals erkennen.
Nazares saß mit Berniér auf dem Zaun und unterhielt sich mit ihm. Ausschweifend hatte ihm der Mönch die letzten Tage von seiner bisherigen Reise berichtet, und der Junge war nicht mehr von dessen Seite gewichen. Eine Woche war seit Manuel Krantos Angriff vergangen.
Entschlossen schüttelte Arusch mit dem Kopf.
»Ich will das nicht mehr«, antwortete er Philipp. »Lange genug bin ich auf der Flucht gewesen, ... war meine Familie auf der Flucht. Die Zeit der Ruhe ist gekommen, die Zeit fürs Umdenken ist gekommen. Die Gemeinschaft wird nicht ruhen, bis sie diese Rolle hat. Wenn Ihr sie mit Euch nehmt, Philipp, ist sie für eine lange Zeit in Sicherheit. Sobald die Zeit reif ist, werde ich Euch in Troyes besuchen, oder aber unsere Kinder werden sich eines Tages begegnen.«
»Wir könnten die Rolle vernichten, Arusch, dann müssten wir nichts mehr befürchten.«
»Das wäre ein Frevel.« Arusch legte seine Hand auf Philipps Brust. »Hört in Euch hinein, Philipp. Könntet Ihr Gottes Werk vernichten?«
Philipp nickte. »Du hast recht, das wäre ein Frevel.« Er ging zu seinem Pferd und schwang sich hinauf. »Troyes ist eine schöne Stadt, Arusch. Der Handelsweg führt dich von Konstantinopel aus direkt dort hindurch. Du kannst sie nicht verfehlen.« Er deutete zur Hütte. »Ihr alle könntet mich begleiten.«
»Ihr trennt Euch also von Eurem Heer?«
»Ja, ich kann das nicht mehr tun. Die Schlacht um Konstantinopel ist gewonnen, die nächste werde ich nicht mehr schlagen. Ich bat Balduin um Entlassung aus meinem Eid, und er hat zugestimmt. Es wird Zeit, dass ich endlich meinen Sohn Gerard zu Gesicht bekomme. Ich werde ihn in der Baumeisterei unterrichten, so wie es mir mein Vater beigebracht hat.«
»Wenn er den Wagemut und den Ehrgeiz seines Vaters besitzt, wird er ein großer Baumeister werden, da bin ich sicher.«
Philipp malte ein Kreuzzeichen in die Luft. »Möge Gott dich beschützen.« Er berührte das Lederbündel über seiner Schulter. »Ich werde es hüten, wie meinen Augapfel.«
»Da habe ich keinen Zweifel, Philipp. Möge Gott auch dich beschützen.«
Mit einem Schrei stieß der Ritter seine Hacken in die Seiten des Gaules und verschwand über den Hügel. Arusch blickte ihm nach, bis er verschwunden war, und machte sich mit gesenktem Kopf zurück zur Hütte. Viktorianah lief ihm entgegen.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie besorgt.
Arusch lächelte, griff nach ihrer Hand und schaute auf die umhertollenden Kinder. »Es ging mir noch niemals besser.«
KAPITEL 18
»… bedankt sich die Stadt Köln sowie das Bistum Köln beim Vatikan und dem Papst, dass das Turiner Grabtuch als Leihgabe für eine Woche zur Verfügung gestellt wurde. Tausende Pilger konnten anlässlich der 760-Jahrfeier der Grundsteinlegung des Kölner Domes diese einmalige Reliquie besichtigen …«
Emma ließ die Zeitung sinken. »Und kein Wort darüber, dass es zwischenzeitig gestohlen wurde? Kein Sterbenswörtchen über diese Verrückten?«
»Das können die sich nicht erlauben. Verschwörungstheoretikern wären Tür und Tor geöffnet«. sagte Elias.
»Aber immerhin hat die Kirche jetzt eine perfekte Kopie und kann das Original auf ewig im Vatikan verstecken, wenn sie will.« Victoria Tolmaier-Gerdes nippte mit einem verstohlenen Blick an ihrem Kaffee. Sie saß Emma auf deren Couch gegenüber und hatte lässig die Knie übereinandergeschlagen.
»Jetzt noch mal von vorn«, sagte Emma und legte die Zeitung beiseite. »Von den sieben Dokumentenrollen haben die bei den Aufräumarbeiten in den Katakomben nichts gefunden?«
Elias schüttelte den Kopf. »Lediglich die erschossene Leiche eines Geistlichen im Gang hinter dem Brunnenschacht. Allerdings waren die Kammern so dermaßen eingestürzt, dass sie sich nicht getraut haben, weiterzusuchen. Die Gefahr, dass die Fundamente des Domes angegriffen werden könnten, ist viel zu groß.«
Emma schüttelte sich, als sie an ihre Flucht zurückdachte. »Glaubt ihr, dass an den sieben Briefen und der biblischen Apokalypse etwas dran ist?«
»Ich für meinen Teil schon«, sagte Victoria. »Ihr habt doch selbst gesagt, dass der Text des siebten
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