Die Siechenmagd
die sie so faul und träge macht. Gerne würde sie sich ein schattiges Plätzchen suchen und ein bisschen vor sich hindösen, aber Muße ist ihr nicht vergönnt, es gibt noch genug zu tun. Mäu kehrt mit dem Schubkarren zur Abdeckerei zurück und holt die restlichen Hundefelle. Während sie die Häute am Ufer befestigt, kommt ihr die Mutter mit dem Wäschekorb entgegen.
„Komm, kannst mir jetzt mit der Wäsch helfen. Seine Kadaver soll er nachher selber verbuddeln, hab ich ihm grad eben gesagt. Ist sowieso Männerarbeit und nix für dich“, sagt sie resolut.
„Soll mir recht sein, wenn er mir nur deswegen nicht die Höll heiß macht“, entgegnet Mäu unwillig. Sie ekelt sich vor der Wäsche des Aussätzigen und hat große Angst, sich anzustecken.
Die soll bloß nicht so scheinheilig tun! Sonst ist es ihr doch auch egal, wenn ich mich für den Alten schinden tu. Nur wenn sie mich brauchen kann, dann ist es auf einmal Männerarbeit!, denkt Mäu erbittert.
„Hier können wir sowieso nicht waschen, du siehst ja, da hab ich die Hundefelle reingehängt“, entgegnet Mäu.
„Na, dann gehen wir halt ein Stück weiter. Müssen nur mit den verdammten Brennnesseln Acht geben“, antwortet die Mutter. Sie gehen den Altarm entlang und suchen nach einer geeigneten Stelle.
„Komm hierher, Mudder, hier ist das Wasser nicht so seicht und hat viel mehr Strömung“, schlägt Mäu vor und läuft ein Stück weiter die Uferböschung nach unten.
„Na gut, wenn du meinst“, erwidert die Mutter und kommt ihr mit dem Korb nach.
„Ist das heiß heute! Muss mich erst mal kurz abkühlen“, sagt Anna und beugt sich runter, um sich mit dem Wasser Gesicht und Hals zu benetzen.
„So, hier hast du die Bürste. Seife ist auch da. Wir teilen es uns auf, wie immer. Du brauchst dich nicht zu ekeln, Herr Knobloch ist ein richtiger Herr und sehr, sehr sauber! Die Flecken auf der Wäsche sind von den vielen Salben, mit denen er sich immer einreiht“, setzt die Mutter entschuldigend hinzu. „Ich habe die Sachen über Nacht schon in Lauge eingeweicht, das Gröbste ist eh’ weg.“
Anna teilt die feuchten Wäschestücke auf.
„Machst du die Bettwäsche, ich kümmere mich dann um die Leibwäsche“, schlägt sie vor.
„So, und dabei können wir zwei mal schön zusammen schwätzen. Ich muss dir nämlich was erzählen, Mäu. Keine Angst, es ist nichts Schlimmes, im Gegenteil“, tut sie geheimnisvoll.
Mäu wird sofort misstrauisch. Was hat die sich denn wieder ausgedacht? Soll ich ihr vielleicht noch mehr Arbeit abnehmen?
Sie braucht auch nicht lange zu warten, bis die Mutter mit ihrem Anliegen rausrückt:
„Draußen auf dem Gutleuthof * gibt es einen neuen Siechen. Es ist der Neuhaus, ein reicher Patrizier aus Frankfurt, der mit Gold und Schmuck gehandelt hat. Letzten Montag ist er eingezogen. Er hat mich gefragt, ob ich für ihn als Magd arbeiten will. Aber der Knobloch will es net, dass ich noch für einen anderen Kranken Dienst tu. Er will mir sogar noch was dazu zahlen, damit ich es nicht mach. Also hab ich dem Neuhaus abgesagt, ihm aber versprochen, dass ich mich für ihn um eine tüchtige Magd kümmern tu. Er hat eine fette Pfründe und kann gut bezahlen. Ich hab mir so meine Gedanken gemacht und bin dann auf dich gekommen. Das wär doch prima, was du da für gutes Geld machen könntest! Und da hab ich mit ihm mal darüber geschwätzt. Er möchte dich halt mal gern sehn und hat vorgeschlagen, dass ich dich am Samstag einfach mitbringen soll, da gibt er nämlich sein Einstandsessen * * und soviel ist sicher: Der lässt sich dabei bestimmt nicht lumpen! Und mir zwei können uns die Bäuch vollhaun und Wein saufen wie die besseren Leut! Und was ist der so galant zu unsereinem! Behandelt einem wie seinesgleichen, wo er doch was Besseres ist! Der stellt schon was dar, so richtig vornehm, du wirst staunen! Und wie nobel der sich eingerichtet hat, ich war ganz platt! Des merkst du kaum, dass der malad ist“, schwärmt die Mutter.
Mäu ist blass geworden. Ganz schlecht wird ihr beim Gedanken, mit den Feldsiechen essen zu müssen. Schon schlimm genug, dass sie die Siechenwäsche waschen muss, aber dann auch noch Umgang mit ihnen zu haben! Die Vorstellung, einem Kranken als Leprösenmagd zu dienen, erfüllt sie mit tiefer Abscheu. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann sie selber krank wird. Nein, da ist es ihr ja sogar noch lieber, sich weiterhin für den Vater abzuplagen!
„Na, besonders begeistert scheinst du mir ja
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