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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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anzufressen, der sich noch nicht einmal richtig gegen sie zur Wehr setzen konnte, weil er an den Füßen gestockt * und an den Händen in Ketten gelegt war, wie es im Falle von aufmüpfigen Gefangenen üblich war. Sie war sofort aufgesprungen und hatte die verdammten Biester verjagt, aber es hatte nicht viel genutzt, sie kamen immer wieder…
    So viele Kriminelle, Schuldner und Irrsinnige hatte sie hier unten schon kommen und gehen sehen, selbst zwei Angehörige des Frankfurter Patriziats hatten ihr kurze Zeit im Loch Gesellschaft geleistet. Der eine, ein verwöhnter junger Geck, hatte seine eigene Mutter bestohlen, indem er ihre Geldkiste erbrochen hatte, um damit seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren. Daraufhin hatte die erboste Senatsgattin ihren Sprössling bei den Behörden angezeigt, und um ihm einen gehörigen Denkzettel zu verpassen, der ihn hoffentlich wieder auf den rechten Weg zurückführen würde, hatte man ihn in den Stock schließen lassen und ihn bei Wasser und Brot für drei Wochen ins Brückenloch gesetzt. Die ersten Tage hatte er sich noch demonstrativ von den anderen Insassen im Loch abgegrenzt und mit niemandem auch nur ein Wort geredet. Aber als dann des Nachts die Ratten an ihn gegangen waren, hatte er sich vor lauter Panik in die Hosen gemacht und sich gebärdet wie ein Irrsinniger. Mäu hatte sich schließlich um ihn gekümmert und den nervlich zerrütteten jungen Mann die ganze Zeit versorgt. Als dann seine Haft vorbei war und man ihn an dem Seil wieder nach oben holte, hatte er sich noch nicht einmal von ihr verabschiedet und sich auch in keiner Weise bedankt. Der andere, ein Kaufmann mit Namen Claus Uffsteiner, der seine Gattin aufs Übelste misshandelt hatte, war nicht viel besser. Einen Monat lang saß er im Loch und ließ es sich während seiner Haft so gut gehen, wie nur möglich. Täglich wurden ihm auf eigene Kosten hin warme Speisen und Wein gereicht, die er vor den Augen seiner hungrigen Mitgefangenen verzehrte, ohne ihnen auch nur das Geringste davon abzugeben.
    Auch Annchen Löwenstein, die unsinnige junge Frau aus gutem Hause, die Mäu ganz am Anfang ihrer Dunkelhaft kennen gelernt hatte, wurde auf Weisung ihrer Angehörigen noch häufiger ins Brückenloch eingeliefert. Mäu hatte im Laufe der Zeit gelernt, sich von den Tobsuchtsanfällen der Irrsinnigen nicht mehr allzu sehr schrecken zu lassen, wusste sie doch aus Erfahrung, dass die Raserei irgendwann ein Ende hat, und wenn Annchen dann wieder bei klarem Verstand war, stellte der Umgang mit der liebenswerten jungen Frau eine willkommene Bereicherung für Mäu dar.
    An die meisten anderen Mitgefangen erinnert sie sich kaum noch, nur das „Schlaumännchen“ hat sie nicht vergessen. Der im ganzen Land berühmte Räuber war der Anführer der hessischen Räuberbande der „Maroden Brüder“, die fünfzehn Mann stark war. Den Räuberhauptmann und zwei seiner Bandenmitglieder konnten die Polizeibüttel in Bornheim, einem zu Frankfurt gehörenden Dorf, schließlich dingfest machen. Daraufhin hatten sie ihn oben immer wieder gefoltert, damit er die Schlupfwinkel seiner restlichen Kumpane verrate, aber er hatte keinen Muckser von sich gegeben. Er hatte ihr erzählt, sie hätten immer untereinander „geprobt“, sich selbst durch Folter abzuhärten, um im Ernstfall unbeugsam zu bleiben. Ein wirklich zäher Hund, das „Schlaumännchen“. Die Gefängniswärter hatten ihn nicht nur ins Loch gesteckt, um ihn weich zu kochen, sondern auch zu dem Zwecke, ihn von den beiden anderen Räubern zu isolieren, denn sie hatten sich oben in ihren Zellen die ganze Zeit dank ihrer Geheimsprache miteinander verständigt. Diejenigen, die bereits unter der Folter verhört worden waren, sangen anschließend in ihren Kerkern mit lauter, inbrünstiger Stimme religiöse Lieder und Bußgesänge. Allerdings auf Rotwelsch und somit für die Lochmeister, die der Gaunersprache nicht mächtig waren, unverständlich, worüber sich die Büttel auch gehörig ärgerten. Denn dadurch konnten sich die getrennt inhaftierten Räuber untereinander über den Verlauf des Verhörs informieren und entsprechend präparieren, den gleichen „Streifen“ beizubehalten.
    Bei ihr im Brückenloch hatte „Schlaumännchen“ schließlich sein Gift genommen, das ihm gegen hohe Bezahlung einer der Wärter besorgt und zugesteckt hatte. Mäu hatte es ihm auf seine Bitte hin in einen Trinkbecher gefüllt und eingeflößt, weil der Mann, durch Stock und Ketten gehindert, selbst

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