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Die Siechenmagd

Die Siechenmagd

Titel: Die Siechenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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den Hof zum Schuppen, öffnet das neuerdings an der Tür angebrachte Vorhängeschloss mit einem Schlüssel, den er bei sich trägt, und nähert sich dem Wandregal. Dort steht der Kasten, in welchem er immer die hundsledernen Handschuhe für den Rat aufbewahrt. Auf dem Deckel der Kiste liegt unübersehbar und bedrohlich sein großes, leicht gebogenes Abdeckermesser. Edu nimmt es herunter, klappt den Deckel hoch und ergreift mit fast liebevoller Geste einen besonders großen Handschuh, der prall gefüllt ist mit – Goldstücken.
    Das verfluchte Geld von Neuhaus! Jetzt ist es vielleicht doch noch zu was nütze! Na ja, einen guten Teil davon hat das putzsüchtige Weib für neue Kleider verplempert, aber es ist immer noch ordentlich was da!
    Gleich am nächsten Tag fährt Edu Dunckel in die Stadt, die Taschen voller Goldmünzen, und ist entschlossen, sich im Rathaus auf keinen Fall abwimmeln zu lassen. Und wenn die feinen Herren bockig sind, wird er sie halt ein bisschen schmieren, denn er kommt ja schließlich nicht mit leeren Händen, und wenn es in den Taschen klimpert, werden sie doch alle schwach, – das weiß er ja selber nur allzu gut!
    Da wollen wir doch mal sehen, ob wir das Mädel damit nicht wieder freikaufen können, denkt er grimmig, während er sich dem Rathaus nähert und in kämpferischer Stimmung ist, wie schon lange nicht mehr – was ihm aber leider bald wieder abhanden kommt. Es gelingt ihm zwar, den überheblichen, sauertöpfisch dreinblickenden Pförtner durch die mehr oder weniger unauffällige Übergabe eines Guldens so weit zu kriegen, ihn nicht gleich wieder wegzuschicken, und durch die Übergabe eines weiteren Guldens schafft der Abdecker es sogar, ihn dazu zu bewegen, wenigstens bei den Ratsherren nachzufragen, ob man nicht bereit wäre, sich mit seinem Anliegen zu befassen. Tatsächlich ist aber keiner der Herren Senatoren gewillt, den Hundshäuter zu empfangen, geschweige denn anzuhören.
    Doch so schnell gibt Edu Dunckel nicht auf. In den folgenden Tagen wird er immer wieder im Rathaus vorstellig, um bei den Herren des Rates Fürbitte einzulegen, doch er kommt jedesmal nicht weiter als bis zur Pförtnerloge. Schließlich droht ihm der arrogante Türsteher gar damit, er werde die Gewaltdiener holen lassen, wenn Edu sich hier noch einmal blicken ließe. Edu hat sich daraufhin den ganzen restlichen Nachmittag in der Nähe des Rathauses auf die Lauer gelegt und gewartet, bis einer der Ratsherren aus dem Gebäude tritt. Als das endlich der Fall ist, folgt er dem vornehmen Herrn eine ganze Weile lang unauffällig, immer wieder Mut sammelnd, ihn bei passender Gelegenheit anzusprechen. In der Allerheiligengasse nähert er sich schließlich der Amtsperson, verbeugt sich mehrfach auf devote Weise, bevor er mit aller Höflichkeit, zu der er fähig ist, das Wort an ihn richtet. Doch Edu erhält kaum Gelegenheit, sein Anliegen vorzutragen. Bereits mitten im ersten Satz schneidet der Ratsherr ihm barsch das Wort ab, gebietet ihm, auf der Stelle zu schweigen und sich umgehend aus seinem Gesichtsfeld zu entfernen. Wo käme er denn hin, wenn er sich auch noch mit dem Hundshäuter abgeben würde, und das auf offener Straße, damit es auch ja ein jeder mitkriegen könne, schimpft der Stadtrat empört, wendet sich eiligen Schrittes zum Gehen und lässt den gedemütigten Bittsteller einfach stehen.
     
     
    Nachdem er die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens eingesehen hat, gleichzeitig aber auch über keinen geeigneten Fürsprecher verfügt, der an seiner Stelle für ihn auftreten könnte, entschließt sich Edu endlich, einen anderen Weg zu beschreiten. Er lässt von einem verarmten Studiosus aus dem Galgenviertel gegen Bezahlung ein Schreiben verfassen, in welchem er den Rat der Stadt um Gnade für seine Tochter bittet. Der Brief wird von dem schriftkundigen jungen Mann persönlich in der Ratsstube am Römerberg abgegeben, – mitsamt einer großzügigen Spende für die leere Stadtkasse.
    Nach einer dreiwöchigen Wartezeit erhält der Abdecker auch tatsächlich ein Antwortschreiben des Senats, das ihm der brave Student vorliest. In dem Schreiben heißt es, die des Meuchelmordes und des heimtückischen Diebstahls angeklagte Maria Dunckel säße doch bereits „auf des Rathes Gnade“ im Brückenloch ein. Es sei von dem höchst ehrbaren Untersuchungsrichter Schmes, der inzwischen nicht mehr unter ihnen weile, so bestimmt worden, die widerborstige, uneinsichtige Jungfer ins Brückenverlies zu stecken, damit

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