Die silberne Göttin
den Anschein hatte, als wüsste ich Ihre Hilfe nicht zu schätzen. Ich empfand die Situation als sehr … beunruhigend."
Seine Lordschaft hob die Brauen. "Offenbar."
"Ich bin dankbar. Ich bin es wirklich." Sie blickte ihn offen an. Auf seinem Gesicht lag ein kleines, spöttisches Lächeln, und in seinen Augen ein kaum wahrnehmbares Funkeln. "Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Sie nicht gekommen wären. Ich hatte nicht gedacht, dass in den Hügeln so viel Schnee liegen würde – und schon gar nicht, dass sich der nächste Sturm schon wieder zusammenbraute."
Er nickte. "Ein trügerisch milder Tag. Ich bin selbst auch der Versuchung erlegen hinauszugehen. Sehr ungewöhnlich, dass wir so früh im Jahr schon so viel Schnee haben."
Iantha zwang sich zu einem schüchternen Lächeln. "Und es tut mir sehr Leid, dass ich Ihnen jetzt zur Last falle."
"Aber nicht im Geringsten, Miss Kethley. Meine einzige Sorge ist Ihre Bequemlichkeit. Es ist eine sehr unangenehme Situation für Sie. Ich bedauere, dass ich noch nicht einmal eine Hausdame habe, geschweige denn eine Zofe, die Ihnen jetzt zur Hand gehen könnte. Ich bin etwas früher zurückgekehrt, als mein Verwalter erwartet hat, und deswegen konnte er noch nicht das gesamte Personal einstellen. Glücklicherweise hat er aber bereits eine gründliche Reinigung angeordnet. So müssen Sie wenigstens nicht im Staub ersticken. Und im Keller gibt es Essbares in Hülle und Fülle." Er wandte sich um, weil sich die Tür öffnete. "Ja, Burnside?"
"Ich dachte, der Dame würde vielleicht eine Tasse Tee gut tun." Burnside drückte sich durch die Tür und setzte vorsichtig ein großes Tablett mit einer Teekanne und Tassen auf dem Tisch ab.
"Eine sehr gute Idee. Danke." Lord Duncan drehte sich lächelnd zu seinem Diener um. "Und was gibt es zum Dinner? Ich erwarte wenigstens drei Gänge."
Burnside zwinkerte einer erschrockenen Iantha zu. "Mein Herr macht nur Spaß. Er weiß, dass er von mir einfache Kost erhält. Die einfache, gute Küche des Nordens. Allerdings mit ein paar indischen Verfeinerungen." Er verbeugte sich vor seinem Arbeitgeber und ging zur Tür. "Oben brennt ein Feuer, Mylord. Und wenn Miss Kethley soweit ist, wird heißes Wasser am Kamin bereitstehen."
"Ich danke Ihnen. Wir warten noch ein bisschen, bis der Raum sich erwärmt hat." Burnside verließ die Bibliothek, und Seine Lordschaft wandte sich wieder Iantha zu. "Burnsides Essen ist einfach, da hat er Recht, aber sehr gut. Zumindest werden Sie nicht verhungern." Er sah zum Tablett. "Wären Sie so nett und würden den Tee einschenken, Miss Kethley? Ich würde mich zu ungeschickt anstellen."
Was für ein seltsamer Haushalt! Etwas verwirrt griff Iantha nach der Teekanne. "Aber gerne. Milch?"
"Nein, danke."
Sie reichte ihm die Tasse und schenkte sich selbst ebenfalls ein. Da sie die Situation wie einen gesellschaftlichen Anlass handhabten, und eine Konversation unbedingt zum Teetrinken dazu gehörte, gab sich Iantha große Mühe, ihre Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. "Wie lange lebten Sie in Indien, Mylord?"
"Dreizehn Jahre."
"Waren Sie bei der East India Company?"
"Nein, ich ging als privater Handelsmann dorthin. In schweren Zeiten war das Vermögen der Armstrongs zusammengeschrumpft. Mein Vater fand, dass die Umstände es rechtfertigten, ins Handelsgeschäft einzusteigen."
"Ich verstehe." Iantha überdachte diese Information, während sie am Tee nippte. Es war ein etwas ungewöhnlicher Schritt für einen Adligen, doch zweifellos besser, als in edler Armut zu leben. "Gefiel es Ihnen dort nicht?"
"Oh ja doch! Ich fühlte mich dort sehr wohl. Es gab so viel zu sehen, zu hören, zu riechen und zu berühren." Als er ihr über den Rand seiner Tasse zulächelte, bildeten sich kleine Lachfalten um seine Augen. Er hatte ein wirklich sehr einnehmendes Lächeln. "Der Orient ist ein wahres Fest für die Sinne. Neues Essen, neues Stoffe, strahlende Farben. Jeden Tag mehr neue Erfahrungen, als die englische Seele verkraften kann."
"Aber Sie sind wieder nach Hause gekommen."
Einen Herzschlag lang starrte er in die Flammen, bevor er sie ansah. "Man möchte immer nach Hause kommen."
Da sie nicht wusste, was sie dem noch hinzufügen konnte, nippte Iantha weiter still an ihrem Tee. Lord Duncan atmete tief durch. "Es gab aber auch noch andere Gründe." Er schwieg kurz, bevor er fortfuhr, und Iantha hatte den Eindruck, dass etwas ungesagt geblieben war. "Zum einen ist der Gewinn zu abhängig geworden vom
Weitere Kostenlose Bücher