Die Silberschmiedin (2. Teil)
von Silber. Statt aufwendiger Ornamente sollte es nur Einlagen aus Emaille haben.
David würde sein Bestes geben müssen, ohne die eigenen Ideen einbringen zu können.
Eines Abends kam der Priester, um mit dem Silberschmied den Auftrag zu besprechen. Eva saß dabei, schließlich war sie die Meisterin.
«Weihwasser ist eines der schönsten Symbole des Christentumes», begann Johann von Schleußig das Gespräch. «Am Eingang jeder Kirche befinden sich Schalen mit Weihwasser. Jeder, der die Kirche betritt, benetzt seine Finger damit und bekreuzigt sich dann. Dies ist für uns ein Zeichen, dass wir nicht irgendeinen Raum oder irgendeine Festhalle betreten, sondern ein Gotteshaus. Das Weihwasser ist ein Zeichen der Reinigung. Wenn wir uns damit bekreuzigen, beten wir: Lieber Gott, wasche mich rein von meinen Sünden und Fehlern. Vergib mir meine Sünden. Ihr, Silberschmied, dürft dieses Becken schaffen. Seid Euch der Tragweite dieses Auftrags bewusst. Nehmt ihn an als Reinigung Eurer Seele.»
David sah den Priester mit zusammengekniffenen Augen an. Eva konnte seine Angst geradezu riechen. Nachdem Johann von Schleußig sich verabschiedet hatte, eilte sie in ihre neue Kammer. Sie hatte den Spiegel dorthin bringen lassen. Nie wieder sollte das schwarze Tuch ihn verhüllen. Sie riss es hinunter und warf es in die Flammen des Kamins. Gierig fraß sich das Feuer durch den dunklen Stoff.
Dann stellte sie sich vor den Spiegel, betrachtete sich. Die Veränderung war unübersehbar.
Die Ängstlichkeit war aus ihrem Blick verschwunden. Für das, was sie jetzt darin sah, hatte sie keine Worte, aber es gefiel ihr.
Auch die Haltung kam ihr verändert vor. Die Schultern hatten sich zurückgebogen, der Rücken war straffer. Das Haar auf ihrem Kopf hatte inzwischen die Länge eines Daumens. Es fühlte sich gesund und kräftig an.
«Langsam werde ich mir ähnlich», flüsterte sie. Der Satz hallte in ihr.
Was hieß das? Wusste sie jetzt, wer sie war?
Verwundert schüttelte Eva den Kopf. Sie hatte gedacht, in Davids Liebe aufgehen zu können, doch erst jetzt hatte sie ihren wahren Platz erreicht. «Ich bin auf dem Weg, so zu leben, wie ich bin. Und das ist das Wichtigste.»
Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihre Gedanken. Sie seufzte. Das war bestimmt David.
Zögernd entriegelte sie die Tür und ließ David ein. Sein Blick fiel zuerst auf den Spiegel.
«Du hast das Tuch entfernt», stellte er fest.
Eva nickte. «Ja, das habe ich. Deine Augen haben als Spiegel meiner Seele ausgedient.»
Sie sah ihn fest an.
«Du hast von meiner Seele nie etwas wissen wollen, David. Sie hat dich nie interessiert. Einzig um Rache geht es dir.»
Er wollte antworten, doch Eva hob die Hände. «Nein, warte, ich bin noch nicht fertig. Du wolltest mich vernichten, willst es immer noch. Doch auch wenn du mich getötet hast, David, wird es dir nicht gelungen sein, Sibylla zu besiegen. Du wirst verlieren, David, was immer du tust. Die Neue Zeit fordert einen neuen Menschen. Das bist du nicht. Du klebst am Alten. Noch fester, als es Mattstedt oder meine Mutter je getan haben.»
«Was redest du da, Eva?»
Davids Stimme klang schmeichelnd. «Was muss ich tun, damit du dich wohl fühlst in diesem Haus? Damit du mir glaubst, dass ich dich liebe?»
Eva lachte auf. «Du?», fragte sie. «Du willst etwas für mein Wohlergehen tun? O nein, David, das kannst du schon lange nicht mehr. Hast du es noch nicht bemerkt? Fragen solltest du mich, was ich für dich tun kann.»
«Du bist meine Frau. Ich bin der Herr in diesem Hause.»
Zorn flammte in ihm auf. Er trat auf sie zu, holte aus seiner Tasche ein Rasiermesser. «Ich bin gekommen, um dir den Kopf zu scheren. Es ist Zeit dafür, dein Haar ist viel zu lang.»
Eva wich keinen Schritt zurück.
«Du willst mir das Haar scheren?», fragte sie ungläubig.
«Ja!», wiederholte David. «Ich bin dein Mann, habe das Recht dazu.»
Er griff nach Evas Nacken und beugte ihn, sodass Eva den Kopf nicht mehr heben konnte. In der anderen Hand hielt er das Messer, bereit, den ersten Schnitt zu tun.
Doch Eva schlug ihm das Messer aus der Hand.
«Gut», erwiderte sie mit allergrößter Ruhe. Sie ging zum Fenster, öffnete die Sitztruhe, die darunter stand, und entnahm ihr einen Gegenstand.
Mit den Worten «Wenn du mir das Haar scheren willst, dann nur damit» reichte sie ihrem Mann den Dolch von Andreas Mattstedt, auf dem die Initialen A und M blinkten.
David starrte darauf, als handele es sich um eine Erscheinung.
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