Die Silberschmiedin (2. Teil)
mit voller Wucht auf den Schädel des Gegners.
Eva konnte die brechenden Knochen hören. Sie war wie gelähmt.
Wie angenagelt stand sie da, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen, eine Hand auf die Brust gepresst und die andere vor den Mund, um den Schrei zu unterdrücken.
David ließ den Schürhaken fallen, stieß mit der Stiefelspitze gegen den Mann, beugte sich hinunter, rüttelte an ihm. Doch es war kein Leben mehr in ihm. David starrte auf seine blutigen Hände, versuchte sie am Mantel des Toten abzuwischen, aber ohne Erfolg.
Schließlich sprang er auf und stürzte kopflos aus der Haustür.
Erst jetzt, da alles vorbei und alles zu spät war, erwachte Eva aus ihrer Erstarrung. Sie rannte die Treppen hinunter, als gäbe es noch etwas zu retten. Voll düsterer Ahnungen beugte sie sich über den Toten.
Es war Andreas Mattstedt.
Sie hatte es gespürt. Warum war sie ihm nicht zu Hilfe gekommen, warum hatte sie nicht wenigstens versucht, das Schlimmste zu verhüten? Warum?
Sie kniete neben ihm, flüsterte seinen Namen, doch sie wusste, dass es vergeblich war. Andreas Mattstedt war tot, erschlagen von ihrem Mann.
Plötzlich stand Priska neben ihr.
«Wir müssen ihn vor die Tür legen», sagte das Mädchen einfach. «Helft mir, ihn dorthin zu ziehen.»
Als hätte sie ihr Lebtag nichts anderes gemacht, fasste sie Mattstedt an den Füßen und zog an dem toten Körper, ohne viel auszurichten.
Schließlich packte Eva mit an. Sie schleiften den toten Kaufmann vor die Tür und legten ihn auf der Straße ab. Priskas Ruhe ging auf Eva über. Sie dachte nicht darüber nach, sie erledigte einfach einen Handgriff nach dem anderen, als hätte sie noch nie etwas anderes getan.
«Die Börse, den Ring, den Dolch und die Ratsherrnkette», befahl Eva. Priska löste vom Gürtel, den der Tote unter der Kutte getragen hatte, die lederne Börse, während Eva die Ratskette vom Hals und den Siegelring mit den Initialen A und M von seinem Finger zog.
Zum Schluss zogen sie ihm die Stiefel aus, fanden den fein gearbeiteten Dolch darin, der ebenfalls Initialen auf dem Griff trug.
Als sie ihr Werk vollendet hatten, war es mit Evas Ruhe vorbei.
Sie kniete neben ihm, legte eine Hand auf seine Wange. «Verzeih, Andreas. Bitte vergib mir. Wenn ich Schuld haben sollte an deinem Tod, so bitte ich dich um Vergebung.»
«Kommt», drängte Priska. «Der Nachtwächter muss gleich da sein.»
Sie zog Eva am Ärmel, und beide verschwanden in dem Augenblick im Haus, als der Stadtknecht mit Laterne und Glocke um die Ecke bog.
An die Haustür gelehnt, hörten Eva und Priska, wie die Schritte des Nachtwächters näher kamen.
«Geh zu Bett, Priska. Ich möchte nicht, dass du in diese Sache hineingezogen wirst.»
Das Mädchen widersprach nicht, doch es entfernte sich nicht. Jetzt war der Nachtwächter vor ihrem Haus angekommen.
«Gottsdonner», hörten sie ihn ausrufen. Gleich darauf hämmerte er gegen die Tür.
Priska warf Eva schnell einen Umhang über, der neben der Tür an einem Haken hing.
Eva klammerte ihn mit der Hand vor der Brust zusammen und öffnete dann die Tür.
«Was ist geschehen?», fragte sie so töricht wie eine Frau, die eben aus dem Schlaf geschreckt war.
Der Stadtknecht hielt seine Fackel näher. «Ein toter Mann liegt vor Eurer Tür.»
Eva zeigte Erschrecken, beugte sich zu dem Toten und berührte das blutige Haar. «Oh, mein Gott, wie konnte das nur passieren? Es ist Andreas Mattstedt, der Ratsherr», sagte sie mit überschnappender Stimme. «Ihr müsst ihn wegbringen. Ein Toter vor der Tür bringt großes Unglück.»
«Na, na», machte der Stadtknecht, um Eva zu beruhigen. «Ich werde gleich nach dem Büttel und seinen Knechten schicken. Sie räumen den Mann hier weg. Sorgt Euch nicht. Aber sagt, habt Ihr nichts gehört oder gesehen?»
Eva schüttelte den Kopf. «Ich pflege des Nachts zu schlafen», erwiderte sie mit leisem Hochmut. «Seht zu, dass der Tote hier wegkommt.»
Sie wandte sich um und ging ins Haus zurück.
Innen ließ Eva ihre Blicke in alle Ecken schweifen. Doch sie sah nichts, was sie verraten konnte. Einzig die Wertgegenstände zeugten von dem, was geschehen war. Eva nahm sie an sich und strich Priska, die auf sie gewartet hatte, über das Haar.
«Ich danke dir, Priska», sagte Eva. Das Mädchen lächelte. Da beugte sich Eva über sie und küsste sie sanft auf die Stirn.
«Es wird alles gut, Priska.»
«Ja», erwiderte die Kleine. «Ich weiß. Jetzt wird alles gut.»
Eva legte sich zu Bett
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