Die sizilianische Oper
Reihe neben dem vergoldeten Sessel des Präfekten, der heute zum Glück die erlauchte Last wegen unaufschiebbarer Amtspflichten nicht zu tragen hatte. Seitdem der da vorne zu reden begonnen hatte, fühlte er sich so verloren wie noch nie in seinem Leben – und an Gelegenheiten, sich verloren zu fühlen, hatte es ihm gewiß nicht gemangelt. Der glückliche Einfall, dem Präfekten zu sagen, daß seine Signora Luigia, Giagia genannt, mit Frau Concetta, die mit dem Gymnasialdirektor Carnazza aus Fela verheiratet ist, sprechen solle, stammte nämlich von ihm. Freunde, die er um Rat angegangen war, hatten ihm den Studienrat Carnazza als einfühlsamen Musikkenner genannt und verschwiegen, diese Hornochsen, daß er sich wesentlich besser in Sachen Wein auskannte. Und es muß gesagt sein, daß selbst Seine Exzellenz ihn gewarnt hatte.
»Können wir sichergehen mit diesem Carnazza?«
»Wo zum Teufel soll er sich schon dranhängen, Ferraguto? An die Flasche hängt er sich, und immer, wenn er das tut, geht ihm das Mundwerk über.«
»Exzellenz, seien Sie versichert. Wie ein Schatten werde ich an ihm kleben. Nicht einmal Wasser wird er zu trinken kriegen.«
Und da stand er vor allen, voll wie ein Eimer. Von wegen der Mund ging ihm über! Er spann herum wie das Orakel von Cuma. Bestimmt hatte er sich ein paar Flaschen, die er in den Taschen des Übermantels versteckt hielt, hinter die Binde gekippt. Das mußte er wenige Minuten vor dem Beginn seiner Rede getan haben, als er um Erlaubnis gebeten hatte, aufs Klo gehen zu dürfen. Bei so viel Wein im Blut genügte es schon, daß er nur am Flaschenkorken roch, um abzuheben.
»Also, also, also. Dieser Luigi Ricci erblickt in Neapel bei einer Bullenhitze, nämlich im Juli 1805, das Licht der Welt. Als hätten die Neapolitaner nicht eh schon genügend Unglück zu ertragen, wird vier Jahre später sein Bruder Federico geboren, der ebenfalls Musiker wird.
Ich habe euch eine wichtige Sache zu sagen, hört mir gut zu, du liebe Güte, könnt ihr mir vielleicht sagen, weshalb ihr lacht? Ich werfe euch aus der Klasse, habt ihr verstanden? Also, wo waren wir stehengeblieben … Der Vater der beiden hieß Pietro, er war kein Neapolitaner, sondern stammte aus Florenz; ich bin mir nicht sicher, ob Klavier. Ach, apropos, ist unter den Anwesenden jemand, der mir ein gebrauchtes, noch gut erhaltenes Klavier verkaufen kann? Das, was mich meine Frau hat kaufen lassen, ist auf dem Umzug von Bicari, wo ich Lateinlehrer war, nach Fela kaputtgegangen. Es braucht kein Markenklavier zu sein, Hauptsache, es spielt … Ach, wo war ich stehengeblieben? Zum Teufel, wo waren wir gerade? Ach ja, ich sprach von Luigi Ricci. Nun gut, er studierte also Musik und machte sich ans Komponieren. Die ersten idiotischen Stücke, ich bitte um Verzeihung, das ist mir eben so herausgerutscht, die er schrieb, hatten, wer weiß warum, großen Erfolg. Alle Theater von Rom bis Neapel, von Turin bis Mailand wollten ihn. Und da er nicht mehr mitkam bei den ganzen Aufträgen, fing er an, hie und da ein wenig abzuschreiben, wie es alle meine Schüler tun. Unter ihnen ist einer, der scheint mit dem Teufel im Bund zu stehen. Wenn ich einen lateinischen Aufsatz diktiere, was macht der? Der setzt sich … wohin setzt er sich denn? Was hat das hiermit zu tun? Ach ja, Ricci Luigi. Wie auch immer, dem Ricci wurde überall Beifall geklatscht, und der verlor keine Zeit, sondern schrieb und kopierte und ging mit allen Sängerinnen, die ihm vor die Flinte kamen, ins Bett. In Triest lernte er drei Böhminnen kennen, ja, wenn man das so hört, klingt es, als seien es Stücke aus Glas, aus Kristall. Man sagt besser: drei Frauen aus Böhmen, und die waren Schwestern und hießen Stolz mit Nachnamen. Ludmilla, Francesca und Teresa Stolz. Die letztere, Teresa, das ist die sie euch trotzdem nicht, ihr Dummköpfe. Gehen wir weiter, besser gesagt zurück. Luigi Ricci begann also, mit Ludmilla und Francesca seine Spielchen zu treiben. Auch an Teresa scheint er sich gütlich getan zu haben, aber nur, wenn die anderen zwei mal nicht in Reichweite waren. Ha, ha. Luigino konnte sich zwischen Ludmilla und Francesca nicht entscheiden, und der Zweifel nagte zu nächtlicher Stunde an ihm. Um bei keiner als unhöflich zu gelten, widmete er sich der einen wie der anderen in gleichem Maße. Am Ende heiratete er Ludmilla, und Francesca schenkte ihm einen Sohn. Das kann vorkommen. Ihr glaubt das nicht? Ich schwöre euch, haargenau die gleiche Sache
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