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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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geworden war.
      Er schob die Fensterluke auf. Ein eisiger Luftzug schlug ihm entgegen. Es war eine schlimme Nacht.
    »Wer ist da?«
    »Ich bin's, Turi, Gegè Bufalino.«
      »Und was zum Teufel willst du so spät? Was ist denn passiert?«
      »Das Haus deiner Mutter, Donna Nunzia, steht in Flammen. Zieh dich an und lauf hin.«
      Gegè Bufalino durfte man nie trauen, egal ob er voll war oder keinen Tropfen angerührt hatte.
      »Gegè, ich warne dich! Wenn sich herausstellt, daß du die Sache erfunden hast, ich schwör dir, dann prügle ich dich kreuzlahm.«
      »Mit Blindheit soll ich geschlagen sein! Den Garaus soll man mir machen, wenn es nicht stimmt!« schwor Gegè. »Wahr ist es wie das heilige Evangelium.«
    Turiddru schlüpfte eilig in seine Kleider. Es war stockfinster draußen, nur hin und wieder zuckte ein Blitz durch die dunkle Nacht. In Richtung Dorfmitte, da, wo das neue Theater und beinahe direkt anschließend das Haus seiner Mutter Nunzia standen, erhellte ein großer rötlicher Lichtschein den Himmel. Und das war Feuer, da gab es eine knapp drei Meter breite Gasse trennte das Theater von einem zweistöckigen Haus, das ebenfalls von den Flammen angegriffen worden war.
       »Hier, hier, hierher!« brüllte der Ingenieur seinen Männern zu, die im Handumdrehen mit dem Feuerlöschgerät vor ihm standen.
      Ein Mann mit einem feuchten Taschentuch vor der Nase zum Schutz gegen den Rauch kam auf ihn zu.
      »Ich bin Kommissar Puglisi. Wer sind Sie und was haben Sie vor?«
       »Ich sein und bin Ingenieur Hoffer. Bergbauingenieur. Ich habe hier eine Maschine, von mir erfunden, die Feuer löscht. Sie helfen mir?«
      »Gewiß«, sagte der Beamte, der schon resigniert die Arme vor dem Unglück ausgebreitet hatte und dem jeder Fliegenschiß gelegen kam.
       »Kut. Sie lassen eine Kette von Männern von hier bis zum Meer bilden, die viele Eimer haben. Sie nehmen Wasser vom Meer und schütten es in Maschine. Maschine braucht immer neues Wasser.«
    »Einverstanden«, sagte Puglisi und entfernte sich eilig,
    um Anweisungen zu geben. Während die Männer das Holzfeuer unter dem Kessel schürten, um den notwendigen Druck zu erzeugen, bei dem das kalte Wasser austreten sollte, bemerkte der Ingenieur hinter sich eine Gruppe von Personen, die wie zu Säulen erstarrt
       »Ihr wohnen in diesem Haus?« fragte der Ingenieur die reglose Gruppe.
    Nun kam Leben in sie.
      »Wir sind die Familie Pizzuto«, sagten alle vier wie aus einem Mund.
    Dann machte der Fünfzigjährige einen Schritt nach vorn.
    »Ich heiße Antonio Pizzuto«, sagte er schleppend und in
    wehleidigem Tonfall. »Wir wohnen im Erdgeschoß dieses Hauses, das in Brand geriet. Wir schliefen bei geschlossenen Fenstern.«
    »Bei geschlossenen Fenstern«, wiederholten die anderen.
      »Weil es zuvor wie in einer Latrine zuging«, erklärte Antonio Pizzuto weiter.
    »Wie in einer Latrine«, echoten die anderen.
      Der Ingenieur Hoffer, mit humanistischen Studien nicht besonders vertraut, erkannte nicht, daß die Familie Pizzuto im wesentlichen aus einem Koryphäen und dem dazugehörigen Sprechchor bestand.
    »Was?«
      »Ja, der Herr, eine Latrine. Wegen dieser verdammten Theatereinweihung kamen Dutzende von Kutschen aus Montelusa, Montechiuso, Cavàra, Fela und weiß der Teufel woher.«
    »Weiß der Teufel woher«, bekräftigte der Chor.
    »Auf alle Fälle kamen die Diener und Kutscher, wenn
    bei lebendigem Leib verbrutzelt, allesamt.«
      »Bei lebendigem Leib verbrutzelt, allesamt«, kam es wehklagend aus dem Chor.
      Unterdes waren die ersten Eimer mit Meerwasser über die auf Anweisung Puglisis schleunigst gebildete Kette von Männern angekommen. Jetzt konnte mit dem Werk begonnen werden. Hoffers Männer bezogen Stellung, wie sie es bei den zahlreichen aufreibenden Übungsmanövern getan hatten. Zwei hielten den Griff der Pumpe fest und richteten sie auf die Eingangstür des brennenden Hauses.
       »Achtung!« brüllte der Ingenieur. »Alle zum Löschen bereit!«
      Er sah seine Männer an, und vor Ergriffenheit verspürte er einen Knoten im Hals.
    »Aufmachen!«
      Nardo Sciascia drehte befehlsgemäß mit sicherer Hand den Kaltwasserhahn auf. Sofort schoß ein mächtiger Wasserstrahl in die Flammen und brachte die beiden Männer an der Pumpe zum Schwanken. Vor Aufregung hüpfte der Ingenieur wie ein Tanzbär von einem Bein aufs andere.
    Turiddru Macca schaffte es, mit Verwünschungen, Flüchen und Geschrei den

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