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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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einem griechischen Reich zu verbünden, es sei denn, man begab sich ganz und gar in die Hand der Phönizier. Nichtverbündete galten als Freiwild für Seeräuber, und als Numitor den Vertrag mit Korinth zugunsten von Xaire verlor, geriet der rege Tauschhandel von Bronze und Eisen gegen Weizen, Öl, Wein und Tonwaren mehr und mehr zum Erliegen. Die Insel Korkyra war als Verbündeter eine gute Wahl; ihre kleinen, wendigen Schiffe taugten selbst nicht zum Transport großer Lasten, aber das Handelsschiff, das von ihnen eskortiert wurde, kam gewöhnlich auch an. Allerdings ließen die Korkyräer sich ihre Dienste einiges kosten, und die Überlegung, wie Arnth sie wohl angesichts der leeren Schatzkammer seiner heruntergewirtschafteten Stadt bezahlen wollte, lenkte Fasti tatsächlich für einen Moment von ihren Sorgen ab.
    »Nun«, meinte der neue König von Alba, der nicht aufgehört hatte zu lächeln, »wenn die Götter es wollen und ihre Priester bereit sind, Opfer dafür zu bringen, dann können wir das gewiß.«
    Noch gestern wäre Fasti ob der Herausforderung, die in diesen Worten lag, nicht weiter böse gewesen, doch jetzt kam ihr der Verdacht, daß die ganze königliche Familie die unselige Neigung besaß, die Götter und deren Diener zu ihren Zwecken einzuspannen, statt sich selbst dem Willen des Schicksals zu beugen.
    »Sprechen wir ein andermal davon«, entgegnete sie schroff und unterrichtete dann den König von der Schwangerschaft seiner Nichte und von dem, was diese über den Vater des Kindes gesagt hatte.
    Arnth, der mehr als zehn Jahre jünger als sein entthronter Bruder war und nie zu Gefühlsausbrüchen neigte, erblaßte und wirkte mit einem Schlag gealtert. Zum ersten Mal fiel Fasti das Netz feiner Falten auf, das sich von Augen- und Mundwinkeln über das Gesicht ausbreitete. In die Stirn hatten sich drei Kerben eingegraben, und die Augenbrauen, die geschwungen wie die Ilians und Numitors waren, zogen sich abrupt zusammen.
    Er ließ sich wieder auf die Liege sinken, auf der er vorher geruht hatte, und sackte in sich zusammen. Nach einer Weile meinte er tonlos: »Es besteht wohl keine Möglichkeit, daß dieses Kind nie geboren wird?«
    »Nein«, erwiderte Fasti scharf. »Die Göttin verbietet dergleichen. Das keimende Leben ist heilig. Du solltest daran noch nicht einmal denken.«
    »Vergib mir, Edle Fasti«, sagte Arnth kühl, »aber gebietet die Göttin nicht auch, unnatürliches Leben zu vernichten? Ich meine mich zu erinnern, daß du selbst mißgestaltete Kinder dem Fluß übergeben und die Mütter, die solche Kinder behalten wollten, dafür bestraft hast.«
    »Es gibt keinen Grund anzunehmen, das Kind, das Ilian erwartet, sei mißgestaltet. Und hüte dich davor, dir so etwas zu wünschen. Es könnte auf deine eigenen Kinder zurückfallen.«
    Unwillkürlich berührte Arnth die kleinen Bronzekugeln, die er wie die meisten Männer um den Oberarm gebunden hatte, um mißgünstige Einflüsse des Schicksals abzuwehren. Seine Lippen preßten sich zusammen.
    »Es mag sein«, versetzte Fasti versöhnlicher, »daß die Göttin Ilian für ihren Verrat bestraft, und das kann sehr wohl durch ihr Kind geschehen. Doch es ist nicht an uns, dergleichen zu fordern.«
    »Ich verstehe. Aber als König obliegt es mir, diese Stadt zu regieren. Was ich dazu mit meinem Bruder und seinen Söhnen machen mußte, hat mir im Gegensatz zur allgemein herrschenden Meinung keine Freude bereitet, doch es war notwendig. Ich wünsche Ilian kein Leid, aber ich kann auch nicht zulassen, daß sich die Stadt um ihretwillen schon wieder spaltet.«
    Fasti nickte. »Das kann nicht dem Willen der Götter entsprechen«, meinte sie zustimmend.
    Er wartete, doch sie fügte nichts hinzu. Die Zeichen hatten sich Fasti diesmal verweigert, und auch stundenlanges Grübeln hatte keine Erleuchtung gebracht, was sie dem König in bezug auf Ilian vorschlagen könnte. Sie wußte nur, was sie nicht tun würde. Aber eine derartige Ratlosigkeit stellte eine Schwäche dar, die sie nicht gern zeigte. Schweigen senkte sich über den Raum, und sie hörte Flötenspiel aus einem der Nachbarzimmer. Wie die meisten Angehörigen ihres Volkes liebte sie die Musik, doch diesmal verfehlten die perlenden Töne ihre Wirkung auf sie. In Gedanken häufte sie abermals Verwünschungen auf Ilians Haupt. Vor allem anderen sollten für eine Priesterin der Wille der Götter und das Wohl des Volkes stehen. Wie kleinlich, wie selbstsüchtig, das um der Rache willen zu verwerfen.
    Als

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