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Die Sonate des Einhorns

Die Sonate des Einhorns

Titel: Die Sonate des Einhorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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merkwürdig.
    Es schien, als starrte John Papas sie sehr lange an, mit Augen, in denen nur ihr Spiegelbild zu sehen war. Joey erwiderte den Blick, weigerte sich stur zu blinzeln. John Papas kratzte sich am Kopf und fing langsam an zu lächeln, ein schiefes Lächeln, als hätte sich ein Haken in seiner Lippe verfangen. Er sagte: »Josephine Rivera.« Dann sagte er etwas in einer anderen Sprache, und dann wieder auf englisch: »Josephine Rivera, wo kommst du eigentlich her? Wo kommst du her, daß du mit einem alten Griechen in einem staubigen, alten Musikladen herumsitzt? Wieso gehst du nicht raus und spielst Baseball, Football, gehst mit deinem Freund aus? Zum Tanzen? Ins Kino?« Noch immer unterdrückte er ein Lächeln, doch drang es schon in seine Augen.
    »Ich mag keinen Baseball«, sagte Joey. »Und ich habe keinen Freund, und ich kann nicht richtig tanzen, das sagen alle. Ich bin gerne hier und helfe Ihnen. Wieso erzählen Sie mir nicht, was hier eigentlich gespielt wird? Wieso darf ich nicht danach fragen?«
    John Papas seufzte. »Ich bin es einfach nicht gewöhnt, das ist es. Diese Art von Gesprächen haben nichts mit Musik zu tun oder damit, wie man Instrumente repariert. Wenn einer allein lebt so wie ich, vergißt er, wie die Menschen reden.« Er zerrte an seinem Schnauzbart herum, zupfte erst am einen Ende und dann am anderen, strich beide Seiten mit den Knöcheln glatt. Schließlich sagte er: »Josephine Rivera, hattest du schon mal das Gefühl, daß etwas ständig neben dir herläuft… du mußt nur deinen Kopf ein Stück drehen, und da ist es? Aber wenn du dann deinen Kopf tatsächlich drehst: nichts? Hattest du dieses Gefühl schon mal?«
Joey nickte: »So wie wenn man weiß, daß jemand einen ansieht, man ihn aber nicht sehen kann?«
    »Genau so«, stimmte John Papas ihr zu. »Oder vielleicht bist du diejenige, die etwas ansieht… genau da ist es, auf der anderen Straßenseite vielleicht, aber du kannst nur ein kleines Stück davon sehen, du siehst nie das ganze Ding. Passiert dir das manchmal?«
    »Ich glaube schon«, sagte Joey langsam. »Meine Abuelita, meine Großmutter… als ich klein war, hat sie mir immer erzählt, wenn ich den Kopf schnell genug drehe, könnte ich in mein Ohr sehen. Irgendwie so was in der Art.«
    Plötzlich sah John Papas müde und verschwommen aus. »Ja«, sagte er. »Na, halt die Augen auf, das reicht schon.« Noch einmal rieb er an seinem Schnauzer herum, klemmte sich den Münzkasten unter den Arm und wandte sich wieder seiner düsteren Werkstatt zu.
    Joey sagte: »Dieser Junge da, Indigo.«
    John Papas blieb mit dem Rücken zu ihr stehen. »Ich hab’ dir nichts zu sagen. Geh nach Hause… ich mach’ heute früher Schluß, mir ist so danach. Auf Wiedersehen.«
    »Okay«, sagte Joey. »Auf Wiedersehen.« Ihre Stimme kam leise und verletzt hervor, und dafür war sie wütend auf sich selbst. Sie machte einen Schritt in seine Richtung, wollte gerade fragen: »Soll ich morgen wiederkommen?«, und hielt inne, denn da war wieder die Musik…
    … in weiter Ferne, gespielt wie vor ewigen Zeiten und wie Lichtjahre entfernt, ein Klang, zu dem ein Duft gehörte, ein grüner, dunkler Duft, und Apfel und große Federn, warm im Sonnenschein. Die Melodie schwingt sich empor und steht dort, dann treibt sie wie ein Drache fort mit dem Wind, jetzt ganz nah wie mein eigener Atem, jetzt so fern, daß ich mit meiner Haut lauschen muß, nicht mit meinen Ohren. Wo ist sie, wo ist sie? Ich muß zu ihr hin.
    Sie merkte erst, daß sie die letzten Worte geflüstert hatte, als sie John Papas’ Stimme hörte: »Wo ist was? Was redest du da?«
    »Von der Musik«, sagte Joey. »Derselben Musik. Woher kommt sie?« John Papas starrte sie an. Joey sagte: »Da, jetzt, genau da.« Wild sah sie sich um, dann rannte sie wieder zur Tür und schrie: »Woher kommt sie? Sie ist überall, können Sie sie nicht hören?« Die Tür klemmte, wie immer, und Joey tat sich am Handgelenk weh und brach sich einen Fingernagel ab, als sie daran zerrte, weil es sie zur Musik hin drängte.
    Dann stand John Papas neben ihr, eine Hand sanft auf ihrer Schulter. Die Musik verklang, auch wenn sie sie noch in den Härchen an ihren Unterarmen spüren und auf ihren trockenen Lippen schmecken konnte. John Papas sagte leise: »Geh nach Hause, Josephine Rivera. Geh auf direktem Weg nach Hause, bleib nirgends stehen, hör nirgends zu. Setz deinen Walkman auf, hör dir was an. Wir sprechen später weiter, morgen vielleicht. Hier, hier,

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