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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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Die Größe des Kartons stimmte, das erkannte er erleichtert trotz der Umhüllung. Der Karton besaß ein besonderes Format, sie mußte das richtige Gerät genommen haben. Im Keller wartete der Zwilling. Er entspannte sich.
    Als er die Dessertteller abräumte, brachte Anja das Paket aus dem Korridor. Erst die Bescherung, dann der Kaffee, verlangte sie augenzwinkernd. Ihm wurde plötzlich wieder heiß. Mit zitternden Händen überreichte er die pompös verpackte Schatulle. Schleifen und Flitter und ein goldener Aufkleber des Juweliers, Anja riß alles einfach ab und klappte das Gehäuse auf. So etwas habe ich schon, sagte sie.
Die Schönheit des Staubs
    Er wollte Schriftsteller werden. Nach einem Studium der Betriebswirtschaftslehre, zu dem ihn seine Eltern gezwungen hatten, erlaubte ihm eine Erbschaft, seine Zeit tatsächlich zu großen Teilen mit der Schriftstellerei zu verbringen. Kasimir Krautstock ging spazieren, bedachte seine Bücher. Sein Plan war, ein weltumspannendes Epos zu liefern, einen Liebes- und Historienroman, ein Lebenswerk. Es sollten ungefähr zehnTeile werden, die in verschiedenen Ländern spielten; Länder, in die es die Liebenden verschlagen hatte, da sie sich aufgrund politischer und familiärer Verwicklungen auf der Flucht befanden. Der Plan bestand formal darin, die Weltgeschichte, wie sie sich ihm seit der Antike darstellte, in ein System zu bringen, das mit den Himmelssphären und den Frequenzen der Sphärenmusik korrespondierte: ein Roman, der alles einschloß, ein Roman, bildlich gesprochen, in Kugelform.
    Er ging spazieren und arbeitete den Plan aus. Zu Beginn hatte er eine Zeichnung angefertigt, die die Länder der Weltkarte an bestimmten Punkten mit den Schalen der Himmelskuppel verband. Jetzt ging es darum, die Einzelheiten authentisch darzustellen. Er studierte alte Kulturen, lernte abgelegene Sprachen, beschäftigte sich mit Musiktheorie. Korrespondenzen würde sein vielbändiges Werk heißen, oder auch Harmonie der Sphären , wobei er sich nicht sicher war, ob am Ende nicht Disharmonien passender wäre.
    Von vornherein war das Projekt zum Scheitern verurteilt. Er glaubte sich in den weltlichen Dingen nur ungenügend auszukennen. Er ahnte, daß die Anlage des Ganzen falsch war, nicht schlecht, aber falsch. Deshalb fing er nicht an. Er schrieb nicht, er bereitete sich vor.
    Abgelegene Sprachen zu erlernen fiel ihm leicht. Er wunderte sich, wie leicht es ihm fiel. Er schrieb Leserbriefe an Verlage, um sie auf Fehler in ihren Drucksachen aufmerksam zu machen. Das Wörterbuch des Malaiischen, die finnische Grammatik, die Lesetexte in einem Lehrbuch afrikanischer Dialekte hatte er stirnrunzelnd korrigiert und den Verlagen die richtigen Versionen mitgeteilt. Davon sprach er auf den Partys, zu denen man ihn einlud, weil auch er rauschende Feste zu veranstalten wußte. Aber am Wörterbuch des Malaiischen waren die wenigsten interessiert. Insgesamt war er kein sonderlich gern gesehener Gast. Er besaß die Kraft des Zugriffs,und zwar gerade auf die Punkte, die man in einer Konversation höflicherweise vermied. Er fragte die Gastgeberin nach ihrem Haarfärbemittel, den Gastgeber nach seinem unehelichen Kind. Auf dem Fest seiner eigenen Eltern berichtete er den Anwesenden von den Bestrafungen, die er als Kind erfahren hatte, auf dem Geburtstag des Bruders erklärte er den Gästen, daß er mit dem Bruder im Streit lag, weil er zuviel Geld im Bordell durchbrachte und die gemeinsame Firma vernachlässigte.
    Bei der Abendeinladung eines Geschäftspartners, den er bis dahin noch nie gesehen hatte, weil sein Bruder sich um solcherlei Angelegenheiten kümmerte, legte er den Plan seines Lebenswerks dar. Er referierte ausführlich über den Klang einzelner Himmelsschalen; die Zuhörer wandten sich ab und holten Getränke. Allein gelassen, wandelte er gedankenverloren durch die Räume. Der Geschäftspartner trat auf ihn zu, leitete ihn zu der Gruppe, in der sich auch sein Bruder unterhielt. Kasimir Krautstock riet dem Geschäftspartner, auch einmal unter den Schränken zu fegen. Die Gruppe erstarrte. Der Geschäftspartner sei niemand, der den Staub zu würdigen verstehe. Das könne er, Kasimir, einfach so voraussagen. Dann aber solle man sich bemühen, den Staub gründlicher zu entfernen. Niemandem fiel dazu etwas ein. Er meine das sowohl symbolisch als auch konkret, erläuterte Kasimir, bevor er vor einem alten Möbelstück auf die Knie ging und die Arme lang in den Spalt zwischen den Schrankfüßen

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