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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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streckte. Sammelbewegungen. Völlig verschmutzte Ärmel eines teuren Anzugs. Hände voll Staub. Staub in filigranen Strängen, in lose zusammenhängenden Segmenten, wie Körper feinbehaarter Raupen. Staub mit borstigem Haar durchsetzt, Staub voller Krümel und Spinnenbeine. Staub von stumpfem Grau, von unendlicher Weichheit, Kasimir hielt ihn zärtlich an seine Wange. Darum werde es gehen in seinem Roman. Die irdischen Kopien himmlischer Systeme. Verschlungene Fäden. Schönheit des Staubs.
Blumenmumien
    Der Goldhamster rannte über den Weg und versteckte sich hinter einem Büschel Löwenzahn. Dort saß er zitternd, äugend.
    Später Herbst. Nachts schon die ersten Fröste. Schlechte Zeit für ein Jungtier, draußen.
    Kurt Koch hob ihn auf und steckte ihn in seine höhlige Anoraktasche, zog den Reißverschluß zu. Zwei Schritte weiter wuselten Hamster am Rand der Wiese und versuchten, in mehrere Richtungen zugleich zu fliehen. Kurt Koch zählte drei Junge sowie ein älteres Tier, wohl die Mutter. Sie wirkten verstört. Gerade erst ausgesetzt. Hatten sich noch nicht weit voneinander entfernt. Kurt Koch fing sie ein. Sein Mitleid war überwältigend. War nicht auch er selbst erst kürzlich ausgesetzt, von seinem Freund vor die Tür gesetzt worden? Er erinnerte sich an den letzten Kuß auf dem Bahnsteig. Zwei kleine graue Männer in Anoraks, schon älter, nicht begütert, die aneinander Halt suchten. Er hatte den anderen umfaßt, war von ihm über den Kopf gestreichelt worden, und Kurt, noch ein Stückchen kleiner als der Reisende, hatte sich auf die Zehenspitzen stellen müssen, um ihn zu küssen.
    Als sein Freund zurückkam, hatte der plötzlich eine Frau, und es war aus. Ihm blieb nur ein Blumenstrauß, apricotfarbene Rosen mit Schleierkraut, den er im Oktober zum Geburtstag bekommen hatte. Über Kopf aufgehängt, sorgsam getrocknet und wieder in die Vase gestellt, stand der Strauß auf dem Wohnzimmertisch und staubte ein.
    Es schnürte ihm die Brust, aber er wollte nicht wieder heulen, nicht mitten im Park. Er sammelte die Hamster in seine Jackentasche und nahm sie mit nach Hause. Sie konnten vorläufig im ausgedienten Aquarium wohnen.
    Er hatte das Aquarium mit Sägespänen und Holzwolle befüllt, in die sich die Hamster eingruben. Er konnte sie durch die Glaswand schlafen sehen: eingerollt, mit winzigen rosaPfoten, zuckenden Näschen, hauchdünnen Lidern, ein niedlicher, ein zerbrechlicher Schlaf.
    Das erwachsene Weibchen war schon wieder trächtig. Als der Wurf kam, schien es ihm besser, die älteren, schon halbwüchsigen Jungen von der Mutter zu trennen. Er kaufte ihnen einen Hamsterkäfig mit Laufrad. Manchmal stand er nachts auf und sah ihnen zu, wie sie darin liefen. Es rührte ihn, daß sie sich vergeblich Mühe gaben, liefen und liefen ohne Ziel. Sie erreichten nichts, und er empfand Sympathie für sie, er fühlte sich ihnen nahe, fast hätte er gedacht: verwandt.
    Die Hamster vermehrten sich unerwartet schnell. Nach drei Wochen trugen bereits die Jungen, die er im Park gefunden hatte, nach drei weiteren Wochen die Kleinen, die im Aquarium geboren waren. Er kaufte einen größeren Käfig, aber bald benötigte er mehr Behälter, so daß er zu improvisieren versuchte. Holzkisten oder Pappkartons kamen nicht in Frage, die Tiere fraßen sich durch. Putzeimer kamen in Frage, große Einmachkessel, stabile Plastikkisten mit hohem Rand. Er stellte bereit, was sein bescheidener Haushalt hergab. Versorgte die Hamster mit Futter. Wechselte die Einstreu, wenn auch seltener als zu Beginn. Dann gelang es dem ersten Tier zu entweichen.
    Von Anfang an hatten die Hamster, die nicht im Laufrad liefen, unablässig Versuche unternommen, die Wände hochzugehen. Schon im Aquarium waren sie mit Anlauf gegen das Glas gesprungen, hatten zwei Schritte in die Höhe gemacht, um dann abzurutschen und wieder unruhig mit den anderen zu wimmeln. Sie rannten und sprangen die ganze Nacht, und er bedeckte das Aquarium vorsorglich mit einem Kuchengitter, beschwerte dieses mit einem Topf.
    Jetzt hatte es einer von ihnen, Kurt Koch wußte nicht wie, geschafft, sich hochzukatapultieren und die Wand des Putzeimers zu überwinden. Er hatte sich unter die Spüle geflüchtetund sich dort, hinter dem Vorhang, zwischen den Putzmitteln versteckt, ein Gewohnheitstier, dachte Kurt lächelnd. Es gelang ihm nicht, ihn wieder einzufangen, und er setzte ihm in zwei Untertellern trockene Maiskörner und Wasser hin.
    Der freilaufende Hamster nagte alles an.

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