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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
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seine dunklen Haare wehten; dieser makellose Hinterkopf. Seine Sorge um die Musik beschämte ihn jetzt. Wie hatte er nur bezweifeln können, dass sein Sohn es richtig machen würde? Niemand hatte dem Jungen nähergestanden als Tom, weiß Gott, niemand liebte ihn inniger. Nicht mal ich, dachte Henry, und ich habe ihn über alles geliebt.

    Die Kirchenpforte öffnete sich, und Henry wandte sich vom Grab ab. Er wollte keinen Platz in der ersten Reihe und zog sich in den Schutz des Schlehdorns an der Kirchhofsmauer zurück. Zwei Männer trugen den kleinen Sarg auf ihren Schultern; der letzte Refrain von
La Engañadora
drang aus der Kirche. Henry ertappte sich dabei, wie sein Fuß im Takt wippte. Er hörte auf damit und war sicher, dass im hohen Gras niemand seine Bewegung bemerkt hatte. Wie schwer es für die Sargträger sein musste, langsam und gemessen zu schreiten, wo die Musik doch ein schnelleres Tempo verlangte.
    Henrys Sohn Tom und seine Schwiegertochter Jane traten aus dem Portal. Jane trug die zweijährige Beth, nun sein einziges Enkelkind. Hinter ihnen folgten Janes Eltern und ihre drei Schwestern, umringt von Ehegatten, Partnern und Kindern. Henry wusste, die Burnhams würden den Verlust verarbeiten, sie würden enger zusammenrücken und zueinanderhalten. Zwischen den Bäumen hindurch konnte er die Dachziegel ihres Familienanwesens erkennen – keine fünfzig Meter von der Kirche entfernt, behaglich eingebettet in die Senke, in der die kleine Landstraße hinunter ins Tal führte. Sie würden das Grab seines Enkelsohns pflegen. Die Burnham-Seite der Familie würde den Jungen nicht enttäuschen.
    Als sich die Trauernden um das Grab versammelten, entdeckte ihn sein Sohn. Ein kurzes Lächeln des Erkennens, aber kein Versuch, ihn zu sich zu winken. Henry blieb eine Weile stehen, hörte nicht wirklich, sah nicht wirklich, dann glitt er durchs Seitentor hinaus und ging zum Wagen zurück. Sie hatten nach der Trauerfeier ein Büfett bei den Burnhams geplant, aber er würde nicht hingehen. Er konnte jetzt keine Leute ertragen. Er setzte sich in den Wagen und schloss die Augen. Er wollte sich vor der Heimfahrt ausruhen.
    Es klopfte an die Seitenscheibe.
    »Dad, mach auf.«
    Henry, der fast eingenickt war, schreckte auf.
    »Ich wollte dich holen. Du musst mitkommen.«
    Auf der anderen Seite der Scheibe war das geliebte Gesicht seines Sohnes, nur wenige Zentimeter entfernt.Er wirkte krank, sterbenskrank. Nun ja, das war er wohl auch, oder nicht? Hieß es nicht, dass man sich vom Tod eines Kindes nie wieder erhole? Henry öffnete das Fenster und schüttelte den Kopf.
    »Ich kann da nicht rein.«
    »Dad, ich brauche dich dort.«
    »Nein, nein.«
    »Sie müssen wissen, dass ich dich nicht auch noch verloren habe.«
    Das Haus der Burnhams war imposant. Eine weiße Stuckfassade, Ziergiebel, Fenster und Türen wohltuend symmetrisch angeordnet. Die Sonne war weitergewandert, und nun schien sie ungehindert durch die Fenster in den übervollen Salon. Henry, dem ungemütlich heiß war, saß auf einem niedrigen Stuhl, der als Behelf aus dem Kinderzimmer heruntergeholt worden war. Er wartete geduldig darauf, dass alles vorbei war. Sein Kopf befand sich auf Hüfthöhe der Menschenansammlung, und solange er nicht nach oben schaute, musste er niemandem in die Augen sehen. Ab und zu klopfte ihm jemand auf die Schulter und ging weiter. Zweimal Klopfen war die am meisten verbreitete Form von Mitgefühl. Der Vikar hatte nur einmal geklopft, seine Hand aber einen Augenblick länger liegen lassen als alle anderen, und Henry hatte gespürt, wie er ganz leicht seine Schulter gedrückt hatte. Da niemand wusste, was er sagen sollte, sagte auch niemand etwas.
    Henry musste wohl eingenickt sein, denn er war ganz überrascht, als sein Sohn die Hand an seinen Ellbogen legte und ihm aufhalf.
    »Komm in die Küche, Dad, dort ist es ruhiger.«
    Henry ließ sich zu einem Lehnsessel neben dem Ofen führen. Die Polster schmiegten sich an seinen Körper, und er schloss die Augen. Es war drei Uhr nachmittags. Henry schlief sechs Stunden lang. Als er aufwachte, entdeckte er zu Säulen aufgestapelte weiße Teller auf dem Küchentisch und Reihen glänzender Gläser. Der Raum war aufgeräumt und sauber. Sie mussten um ihn herum Ordnung gemacht und, wenn überhaupt, geflüstert haben. Henry stand auf und musste sich am Sessel festhalten. In letzter Zeit neigte sein linkes Knie dazu, steif zu werden, wenn es nicht in regelmäßigen Abständen gebeugt wurde. Er trat

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